Lügen haben lange Nasen: Pinocchio erfährt, was das heißt. Aber schließlich wird der Kleine ein mitfühlendes Mitglied der Gesellschaft.

Foto: Volksoper

Wien – Juvenilen Kulturinteressierten, die durch Harry Potter oder Die Chroniken von Narnia filmischen Bilderrausch erfahren haben, könnte die Operngeschichte von Pinocchio womöglich dennoch behagen: Aus Holz wird Mensch, aus Lauser wird gereifter Junge. Die Erfahrung einer langen Lügennase verhilft letztlich zu einem netten Maß an sozialer Kompetenz. Mach dein Ding, irgendwann aber wird es Zeit, ans Gemeinwohl zu denken!

Bis dahin wird Pinocchio in der Volksoper in Pierangelo Valtinonis Oper Raub und Gefangennahme erleben, der Erfrierung überantwortet oder von einem übel gelaunten Zirkusdirektor traktiert. Bisweilen geht es auch in die Untiefen des Meeres oder in den Bauch eines Wals.

Regisseur Philipp M. Krenn erzählt die Geschichte gelassen und unaufgeregt. Immerhin aber darf sich Juliette Khalil (als Pinocchio) in der Menschwerdungsrolle austoben, bis es – und unter Beobachtung der Fee (Martina Dorak) – zurück in die Arme von Daniel Ohlenschläger (als Geppetto) geht.

Etwas episodenhaft

Die Mitglieder des Kinder- und Jugendchors der Volksoper beleben das Geschehen natürlich ebenso wie die Animationsvideos von Andreas Ivancsics. Letztere lassen Pinocchio auf den Flügeln einer Taube davonzischen – und das ist gut und wichtig: Pi nocchios – auf Dichter Carlo Collodi zurückgehende – Geschichte wirkt in Opernform ja stark episodenhaft, was nicht übermäßig viel Tempo zu erlauben scheint.

Musikstilistisch ist zwar ein Musicaleinschlag (inklusive Jazz und lateinamerikanischem Tanzflair) nicht zu leugnen. Doch obwohl die Instrumentalpassagen Reiz entfalten und für muntere Atmosphäre sorgen, tönt es im Vokalen rätselhaft uninspiriert. Es erschallt quasi Melodik mit dem gewissen Nichts. Würden die handwerklich tadellosen Eingebungen von Pierangelo Valtinoni etwa mit jenen von Nino Rota oder Ennio Morricone verglichen, es wäre ersichtlich, was gemeint ist.

So bleibt die Last, einen fantasievollen Abend zu kreieren, bei den Interpreten, den Animationen und beim Optischen (Bühnenbild: Nikolaus Webern). Wenn es um Charme geht, ist auch Dirigent Guido Mancusi und das Volksopernorchester dabei, das am Anfang und am Ende in die Höhe der Bühne gehoben wird. Es sorgt für Klangpracht und Kurzweil. Was sonst noch zu lernen war: Lügen haben lange Nasen, aber nicht immer starke Melodien. (Ljubiša Tošić, 20.11.2017)