Markus Müller, Rektor der Medizinischen Universität Wien: "Wir haben derzeit die am besten ausgebildete Generation an Medizinern, die es je gegeben hat."

Foto: MedUni Wien/Matern

Wien – Der Rektor der Medizinischen Universität Wien, Markus Müller, kann die Forderung der Gesundheitsreferenten der Länder nach mehr Medizinstudenten und Änderungen beim Aufnahmetest nicht nachvollziehen. Österreich bilde genügend Ärzte auf hohem Niveau aus – das Problem sei aber, dass diese Österreich aufgrund des "extrem ineffizienten Systems" verlassen, sagt Müller zur APA.

Die Gesundheitsreferenten hatten vor einem eklatanten Ärztemangel gewarnt sowie den Aufnahmetest für das Medizinstudium "antiquiert" genannt. "Ich denke, dass die Position der Landesräte zur jungen Generation der Mediziner nachschärfungsbedürftig ist", meinte Müller. "Wenn man unseren Absolventen ausrichtet, dass sie auf Basis eines antiquierten Tests ausgebildet wurden und sozial nicht kompetent seien, ist das keine wahnsinnig tolle Basis, um sich in Österreich wertgeschätzt zu fühlen."

Absolventenquote von fast 100 Prozent

"Wir haben derzeit die am besten ausgebildete Generation an Medizinern, die es je gegeben hat", so Müller. "Und diese Generation ist für viele Arbeitgeber sehr attraktiv, offenbar aber leider nicht in Österreich. Ich habe daher einmal den Ausdruck 'Exportschlager' geprägt." Und hier liege auch das Problem. "Manche Träger und Institutionen signalisieren, dass sie die junge Generation nicht schätzen – auch mit den ihnen offerierten Bedingungen." Die derzeitige Struktur der Gesundheitsversorgung benötige aufgrund des Mangels an Pflege- und Administrativkräften eine international unüblich hohe Zahl an minderqualifiziert eingesetzten Ärzten.

"Man hat sich in Österreich an ineffizient eingesetztes ärztliches Personal gewöhnt", bemängelte der Rektor. "Anstatt hier Verbesserungen zu erzielen, zeigt man mit dem Finger auf Institutionen, die ihre Hausaufgaben gemacht haben." In Österreich gebe es derzeit rund 1.600 Medizin-Studienplätze für Anfänger und eine Absolventenquote von fast 100 Prozent. "Ob alle gute Ärzte werden, ist immer schwer zu sagen – aber offenbar passt der Aufnahmetest für die Anforderungen des Studiums."

Österreich als "Nettoexporteur"

Die Schweiz biete bei gleicher Einwohnerzahl nur halb so viele Studienplätze an wie Österreich. Nur würden in Österreich 30 bis 40 Prozent der Absolventen das Land nach dem Studium wieder verlassen, so Müller. Umgekehrt seien in Österreich derzeit nur etwa vier Prozent im Ausland ausgebildete Ärzte beschäftigt, der OECD Schnitt liegt bei 17 Prozent. "Wir sind also Nettoexporteur. Und das ist nicht eine Frage des Tests, sondern der Struktur."

Daran ändere auch der Ruf nach insgesamt mehr Medizinern nichts: "Wir hatten in den 80er Jahren 20.000 Ärzte – damals hat man vor einer Ärzteschwemme gewarnt. Heute haben wir 45.000 und sprechen von einem Mangel. Der Reflex, jetzt zu sagen, wir brauchen noch mehr Ärzte, bedeutet noch mehr Ineffizienz ins System zu bringen." (APA, 22.11.2017)