Alexander Van der Bellen hat sich auch als Bundespräsident eine unkonventionelle Art bewahrt. Er verschanzt sich nicht hinter seinem Amt. Gerade für Diplomaten mag es ungewöhnlich wirken, wenn ein Bundespräsident in den Plauderton verfällt und seine Einschätzungen preisgibt. In diesem Zusammenhang ist schon öfter die Zuschreibung "naiv" gefallen.

Klar ist, dass das Treffen mit Spitzendiplomaten Anfang November im Hotel Imperial vertraulich war. Das ist so üblich. Dem Bundespräsidenten musste aber ebenso klar sein, dass Diplomaten von solchen Anlässen Protokolle verfassen und diese ihren Dienststellen übermitteln. Das ist ihre Aufgabe. Erst recht, wenn sie Informationen von kompetenter Stelle bekommen, von einem Präsidenten, der gerade in die Bildung einer neuen Regierung involviert ist.

So gesehen war es naiv, dass Van der Bellen einem großen Kreis an Diplomaten offenherzig Bericht erstattete. Dass ein solches Protokoll dann den Weg an die Öffentlichkeit fand, ist allerdings ein schwerer Vertrauensbruch. Und in der Art, wie die Aussagen des Bundespräsidenten teilweise entstellt und offenbar bewusst verändert wurden, lässt sich eine Intrige erkennen – von einem "befreundeten" Nachbarstaat. Konkret steht Ungarn im Verdacht.

Kein großer Freund von Türkis-Blau

Für Van der Bellen ist das doppelt unangenehm. Er muss nicht nur eine diplomatische Krise meistern, sondern auch darauf achten, dass er die Gesprächsbasis mit ÖVP-Chef Sebastian Kurz und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache aufrechterhält, was wesentlich heikler ist. Wurde Van der Bellen schon bisher nicht mit Informationen aus den Koalitionsverhandlungen überhäuft, muss er nun damit rechnen, künftig noch weniger zu erfahren.

Dass Van der Bellen kein großer Freund von Türkis-Blau ist, liegt auf der Hand. Realpolitisch wird daran aber kein Weg vorbeiführen. Es liegt am Bundespräsidenten, auf die künftigen Koalitionspartner einzuwirken, eine Regierungsmannschaft zu nominieren, die sowohl im In- wie im Ausland akzeptiert werden kann – halbwegs wenigstens.

Solche Torpedos, wie sie nun von dritter Seite abgefeuert wurden, tragen nicht dazu bei, die Situation zu stabilisieren. Offenbar sind sie Teil jener Strategie, mit der Van der Bellen im Vorfeld eingeschüchtert und verunsichert werden soll. Das sollte sich der Bundespräsident nicht gefallen lassen. Das ist er dem Amt, seinen Wählern und nicht zuletzt auch sich selbst schuldig. (Michael Völker, 22.11.2017)