Michael Horowitz, "Leonard Bernstein. Magier der Musik". € 25,00 / 240 Seiten. Amalthea-Verlag, Wien 2017

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Die Wiener Verlagsmanagerin Renate Wunderer erzählt: "Einmal war Leonard Bernstein bedrückt, weil bei den Proben zu einem Wiener Gustav-Mahler-Konzert alles schiefgelaufen war. Spontan schlug ich ihm vor, mit meinem klapprigen Puch 500 zum Grab Gustav Mahlers zu fahren. Er sah mich nachdenklich an und meinte: 'Let's go to Gustl. Yes Renate, let's go to Gustl'." Am Grab von Gustav Mahler auf dem Grinzinger Friedhof begann Bernstein zu dirigieren und zu singen, und "es schien, als würde er mit Mahler sprechen ...".

Das Buch von Michael Horowitz über den Magier der Musik Leonard Bernstein ist voll von solchen Anekdoten. Horowitz ist ein guter Anekdotenerzähler, und über Bernstein gibt es weiß Gott genug Anekdotisches. Dass Bernstein in Wien Gustav Mahler erst wieder gegen den ultrakonservativen Geschmack eines ultrakonservativen Publikums (auch bei den Philharmonikern – "Scheißmusik", zischelte es aus dem Orchester) durchsetzen musste, dass es genügend antisemitische Bemerkungen gab, wird auch nicht ausgespart.

Ausnahmeerscheinung

Das Buch erinnert daran, welche Ausnahmeerscheinung Bernstein war: ein Klassikdirigent der Sonderklasse, dessen Interpretationen von Beethoven bis Strawinsky einen umwarfen; der mächtige Bassist Kurt Rydl brach nach seiner "Leonoren"-Ouvertüre in Tränen aus; zugleich der Komponist des besten Musicals aller Zeiten – West Side Story – und eines zweiten, immens erfolgreichen (On the Town); von einer Vielzahl bedeutender zeitgenössischer Musikstücke (die Symphonien Kaddish, Jeremiah, die Oper A quiet place und das Musiktheaterwerk Mass); dazu ein glänzender Jazz-Pianist; ein Turbo-Showman und selbstzerstörerischer Lebemann. Die Kerze zündete er an beiden Enden an.

Es gibt viele Fotos in dem Band, und sie wirken wie aus einem Titanenzeitalter: Bernstein, Regisseur Luchino Visconti und die Callas 1955 nach der Bohème an der Scala. Zwei Jahre zuvor war Bernstein sensationeller Einspringer bei der Medea mit der Callas. Ein anderes Foto: Bernstein, Dietrich Fischer-Dieskau, Regina Resnik und wieder Visconti nach der Falstaff-Premiere 1966 in Wien. Dergleichen werden wir so bald nicht wieder sehen.

Lebensliebe und Abscheu

Bernstein war Amerikaner durch und durch und doch zugleich ein Europäer mit existenziellen jüdisch-osteuropäischen Wurzeln. Was er Mahler zuschreibt, kann auch für ihn gelten: "die Auseinandersetzung zwischen einer brennenden Lebensliebe und einem Gefühl der Abscheu vor diesem Leben – zwischen einer leidenschaftlichen Sehnsucht nach einem Himmel und der Todesangst". (Hans Rauscher, Album, 28.11.2017)