Wien – Die Verhandler von ÖVP und FPÖ haben am Freitag bis etwa Mitternacht alle Zwischenergebnisse der 25 Fachgruppen gesichtet. Einige Gruppen sind so gut wie fertig, in manchen wurden nach wie vor eine Reihe von Dissenspunkten festgestellt, war danach aus ÖVP und FPÖ zu hören. An den offenen Themen werde nun weiter gearbeitet. Kommenden Dienstag findet die nächste Runde der Steuerungsgruppe statt.

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Weitestgehend einig ist man sich im Bereich der Elementarpädagogik. Hier haben sich ÖVP und FPÖ unter anderem auf ein zweites verpflichtenden Kindergartenjahr geeinigt, hieß es aus Verhandlungskreisen. Ein zweites verpflichtendes Kindergartenjahr hatte schon die bisherige SPÖ-ÖVP-Regierung auf der Agenda, die konkrete Umsetzung scheiterte freilich an den üblichen koalitionsinternen Streitigkeiten sowie an der Frage der Finanzierung.

Basis für zweites Kindergartenjahr

Geht es nach ÖVP und FPÖ, dann soll eine neue Bund-Länder-Vereinbarung, eine sogenannte 15a-Vereinbarung, zu elementarpädagogischen Einrichtungen die Basis für die Einführung des zweiten Kindergartenjahres legen. In einer der APA vorliegenden Punktation werden qualitätsvolle Elementarpädagogik, höhere Standards bei Bildung und Betreuung, Sicherstellung des flächendeckenden Ausbaus der Kinderbetreuungseinrichtungen, Qualität der Kinderbetreuung erhöhen (Sprache, Bildung, Werte) sowie verstärkte Kontrollen als Eckpunkte der Vorhaben in diesem Bereich genannt.

Die zweijährige Verpflichtung zum Besuch eines Kindergartens ist für jene vorgesehen, die es brauchen. Die Verpflichtung soll auf der Grundlage einer Sprachstandfeststellung erfolgen. Daneben wollen weitere für die Entwicklung eines Kindes relevante Faktoren berücksichtigt werden, heißt es im Text der Verhandler. Beim Besuch eines Kindergartens ist für Kinder, die schlecht Deutsch sprechen, eine verpflichtende Sprachförderung vorgesehen.

Talente im Kindergarten fördern

Teil der neuen einheitlichen Bund-Länder-Vereinbarung – die zwecks Entbürokratisierung und Vereinfachung die bisher bestehenden drei Vereinbarungen in diesem Bereich ersetzen soll – wird im Fall einer ÖVP-FPÖ-Koalition auch ein neuer Bildungsrahmenplan für den Kindergartenbereich. Im Verhandlungstext ist von einer kindgerechten Vorbereitung auf die weitere Bildungslaufbahn die Rede. Talente sollen gefördert, vorhandene Stärken gestärkt werden. Kernkompetenzen im Bereich Sprache sowie soziale Kompetenzen sollen im Rahmenplan genau definiert werden. Darüber hinaus soll auch ein verbindlicher Wertekanon vermittelt werden. Gemeint ist damit ein Bekenntnis zur Verfassungs-, Werte- und Gesellschaftsordnung.

Der Bildungsrahmenplan soll verbindlich in allen elementarpädagogischen Einrichtungen in Österreich angewendet werden. Die festgelegten Qualitätsstandard sollen laufend kontrolliert werden. Bei Missständen oder einer Missachtung der durch die Vereinbarung vorgegebenen Regeln soll es ein rasches Eingreifen durch die zuständigen Behörden und entsprechende Konsequenzen geben, so die Pläne der Koalitionsverhandler. Zugleich sollen auch höhere Standards für die Aus-, Fort- und Weiterbildung des Personals in elementarpädagogischen Einrichtungen definiert werden. Die Rede ist von differenzierten Anforderungen an pädagogisches Personal, Betreuungspersonal und Leitungspersonal.

SPÖ kritisiert Kindergartenvereinbarung

"Mehr als ambitionslos" sind die Pläne von ÖVP und FPÖ für ein zweites verpflichtendes Kindergarten aus Sicht der SPÖ. Frauenministerin Pamela Rendi-Wagner sieht darin einen "Schritt zurück". NEOS-Chef Matthias Strolz hat einige Skepsis, was die Umsetzung betrifft, auch angesichts der Tatsache, dass im schwarz-blau regierten Oberösterreich gerade Nachmittags-Kindergartengebühren eingeführt wurden.

Für Rendi-Wagner zeigt der OÖ-Beschluss "sehr deutlich, wohin es in den kommenden Jahren gehen wird. Die Menschen werden für ihre Kinder zur Kasse gebeten, nur die, die es sich leisten können, können ihren Kindern die beste Förderung von Anfang an zukommen lassen". Im rot-schwarzen Regierungsprogramm sei bereits ein zweites verpflichtendes Gratis-Kindergartenjahr enthalten gewesen, das ÖVP-geführte Familienministerium habe aber blockiert. Auch ein Rechtsanspruch auf einen kostenlosen Kinderbetreuungsplatz ab dem 1. Lebensjahr wäre nötig. Das Verhandlungsergebnis von ÖVP und FPÖ gehe deutlich hinter das rot-schwarze Koalitionsabkommen zurück, konstatierte auch SPÖ-Bundesfrauenvorsitzende Gabriele Heinisch-Hosek.

NEOS skeptisch

Strolz war zwar "vorsichtig positiv" angesichts der Ankündigung, die Elementarpädagogik ausbauen zu wollen. Aber bisher sei es immer an der Umsetzung gescheitert. Und Oberösterreich lasse "alle Warnleuchten blinken", würde Schwarz-Blau dort doch "gerade die Uhr um Jahre zurückdrehen". Der NEOS-Chef pochte auf ein österreichisches Gesamtkonzept: Im Kindergarten Beiträge für Dreijährige zu verlangen, aber nicht von 20jährigen Studenten zeige den dringenden Bedarf für eine Reform und eine Abstimmung zwischen Bund und Ländern. (APA, 25.11.2017)