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Schröcksnadel: "Bei uns passiert nichts im Geheimen."

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Innsbruck/Wien – "Da wurde medial einiges zugespitzt." ÖSV-Präsident Peter Schröcksnadel geht im Gespräch mit dem STANDARD auf Berichte ein, denen zufolge er Nicola Werdenigg ein Ultimatum gesetzt und rechtliche Schritte in den Raum gestellt habe. Nun relativiert Schröcksnadel: "Wir haben nie mit Klage gedroht."

Werdenigg, unter ihrem Mädchennamen Spieß 1976 Abfahrts-Olympiavierte, machte vor einer Woche im STANDARD-"Sportmonolog" massive sexuelle Übergriffe bis hin zu einer Vergewaltigung öffentlich, die ein Teamkollege an ihr begangen hatte, als sie 16 Jahre alt war.

Eine weitere Weltcupläuferin berichtete anonym über andere Fälle von sexualisierter Gewalt. Im Interview in der ORF-Sendung "ZiB 2" sprach Werdenigg einen weiteren Übergriff im ÖSV-Team an, von dem sie wisse und von dem seinerzeit, im Jahr 2005, auch ÖSV-Führungspersonal in Kenntnis gesetzt worden sei, ohne dass dies Folgen zeitigte.

Daraufhin vermeldete die "Tiroler Tageszeitung", Schröcksnadel ziehe ein juristisches Nachspiel in Erwägung. Davon will der 76-Jährige im STANDARD-Gespräch nichts mehr wissen. "Es ist sehr zu begrüßen, dass Nicola Werdenigg berichtet hat, was ihr in den 70ern widerfahren ist", sagte Schröcksnadel am Sonntag.

"Dadurch entsteht ein Problembewusstsein, und das ist sehr positiv. Auch damit, dass das auf dem Rücken des Skiverbands passiert, hab ich kein Problem. Und wenn sie nicht sagt, wer ihr das damals angetan hat, versteh' ich das voll."

"Wir wollen proaktiv handeln"

Der seit 1990 amtierende ÖSV-Präsident, der zuvor Referent (ab 1978) und Vizepräsident (ab 1987) war, betont sein "hohes Problembewusstsein in der Richtung", das nicht zuletzt darauf fuße, dass er selbst "fünf Jahre lang im Internat war". Aus diesem seinem Problembewusstsein heraus "haben wir ja auch vor zwei Jahren Petra Kronberger als Frauenbeauftragte eingesetzt".

Die Maßnahme hatte freilich nichts mit etwaigen Übergriffen zu tun, sondern war Folge einer ÖSV-Auseinandersetzung mit Anna Veith, die erst im letzten Moment von Schröcksnadel dazu bewegt werden konnte, sich nicht aus der Verbandsstruktur zu verabschieden.

Der ÖSV hat Nicola Werdenigg in einem laut Schröcksnadel sehr freundlichen Brief gebeten bis aufgefordert, zu dem von ihr geschilderten Vorfall 2005 Namen zu nennen. Ein Ultimatum will Schröcksnadel dies nicht nennen. "Aber wenn sie nicht sagt, wer den Übergriff begangen hat, können wir nichts unternehmen. Wir wollen proaktiv handeln. Wenn sich da etwas bestätigt, fliegt derjenige sofort hinaus. Aber das Problem ist ja, dass so eine ganze Gruppe diskreditiert wird."

Suche nach dem faulen Apfel

Ende vergangener Woche wurde bekannt, dass die Staatsanwaltschaft Innsbruck gegen unbekannt ermittelt. Das komme dem Skiverband zupass, sagt Schröcksnadel, der darauf Wert legt, "dass die Staatsanwaltschaft von sich aus ermittelt". Für den ÖSV könne die Untersuchung "nur gut sein. Weil entweder wird der faule Apfel gefunden, oder es kommt heraus, dass es keinen faulen Apfel gegeben hat". Für den ÖSV habe es sich "erübrigt", über weitere Schritte nachzudenken. Schröcksnadel: "Der Staatsanwalt ermittelt ja eh."

Der Tiroler gibt aber zu, dass ihm die Außendarstellung des ÖSV Sorgen bereite. "Jeder haut auf uns hin, das ist für mich nicht zu akzeptieren. Der ÖSV ist auch nicht für Vereine, Schulen oder Internate zuständig. Im Verband kriegen wir die Läuferinnen und Läufer frühestens im Alter von 16 oder 17 Jahren, meist später. Dadurch ist das Gefährdungspotenzial viel geringer. Der ÖSV ist kein geschlossenes Heim. Bei uns passiert nichts im Geheimen. Über die Liebschaften, die tagtäglich passieren, wissen alle Bescheid, auch die meisten Journalisten und Fotografen, die den Weltcup begleiten."Schröcksnadel schließt sich der Diktion des früheren Damencheftrainers Herbert Mandl an: "Liebschaften sind natürlich keine Übergriffe."

Das Land Tirol richtete eine Erstanlaufstelle für frühere Opfer von Übergriffen in Landeseinrichtungen ein. Ehemalige Internatsschülerinnen und -schüler der Skimittelschule Neustift, ehemals Skihauptschule Neustift, sowie des Skigymnasiums Stams können sich wochentags von 9.00 bis 11.30 Uhr telefonisch unter 0512 / 508 37 95 melden.

Was Neustift betrifft, haben sich bereits etliche ehemalige Schüler gemeldet, die Werdeniggs Schilderungen bestätigen. Stams-Direktor Arno Staudacher wiederum berichtete im ORF, er habe während seiner Schulzeit am eigenen Leibe das "Pastern", also das Einreiben des Hinterteils mit Schuhpasta, erfahren. (Fritz Neumann, 26.11.2017)