Ein hohes Maß an Unzufriedenheit kennzeichnet die Stimmung in Österreich. Laut einer "Profil"-Umfrage sagt ein gutes Drittel der Österreicher, dass es ihm heute schlechter gehe als noch vor zehn Jahren. Diese Unzufriedenheit schlägt sich auch unmittelbar in der Einstellung dem politischen System gegenüber nieder – siehe dazu den Blogbeitrag "Dem Populismus auf den Leim gegangen?". Inzwischen deklariert sich laut des ATV-Österreich-Trends bereits eine Mehrheit der Österreicher als wenig oder gar nicht zufrieden mit dem Funktionieren der demokratischen Institutionen Österreichs.

Unzufriedenheit und Systemverdrossenheit sind ein exzellenter Nährboden für autoritäre Strömungen und Entwicklungen. Damit stellen sie auch eine Gefahr für die Errungenschaften unseres demokratischen Systems dar. Die Zahl jener, die der Demokratie als bester Regierungsform skeptisch gegenüberstehen, wächst konstant. Inzwischen sehnen sich bereits 40 Prozent der Österreicher nach einem starken Mann in der Politik.

Gründe für Unzufriedenheit

Was nährt die Unzufriedenheit in Österreich? Die Gründe sind vielfältig. Ein wesentlicher Faktor für die steigende Unzufriedenheit ist aber eindeutig die wirtschaftliche Situation der Bevölkerung. Vor allem Menschen im ersten Einkommensquintil – also die untersten 20 Prozent, gereiht nach dem persönlichen Einkommen – sind laut der Statistik Austria deutlich unzufriedener mit ihren persönlichen Lebensumständen. Die Einkommen dieser Menschen haben in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten, je nach Datengrundlage und Definition, real zumindest stagniert oder sind sogar leicht zurückgegangen. Dazu kommt eine massiv ungleiche Verteilung der Vermögen im Land: Die untersten 20 Prozent haben kaum Anteil am Vermögenskuchen.

Diese Unzufriedenheit mit dem persönlichen Einkommen schlägt sich laut den Daten der Statistik Austria auch auf alle anderen Lebensbereiche durch – sowohl auf Beruf, Wohnumstände als auch auf das Leben im Allgemeinen.

Einige Wissenschafter vertreten die Meinung, dass sich die Einkommensverteilung eines Landes nicht auf Glück und Zufriedenheit seiner Bewohner auswirke. Eine Zunahme der Einkommensungleichheit in einer Gesellschaft, in der die Reichen immer reicher werden, die Einkommen der Armen jedoch stagnieren, mache die Armen nicht automatisch unglücklicher. Was zählt, sei allein die absolute Höhe des persönlichen Einkommens und dessen Entwicklung. Das ist natürlich ein gefundenes Fressen für zahlreiche neoliberale Thinktanks, die, wie in den USA, Lobbying für eine Steuerreduktion für Reiche und Superreiche betreiben.

Verhaltenspsychologie liefert Schlüssel zum Verständnis

Dem widersprechend, haben bereits 1979 die Psychologen Kahneman und Tversky auf die Bedeutung des relativen Standpunkts hingewiesen. Kahneman wurde für seine Arbeit später mit dem Nobelpreis ausgezeichnet. Die beiden Wissenschafter zeigten auf, dass Wahrnehmung immer abhängig vom jeweiligen Referenzpunkt ist. Bleibt das eigene Einkommen unverändert, während andere Menschen tendenziell immer mehr verdienen, führt das zu einer Zunahme der Einkommensunzufriedenheit bei den betroffenen Personen. Denn im Vergleich zu anderen wird man dadurch schlechtergestellt. Wenn andererseits das eigene Einkommen zurückgeht, jedoch auch alle anderen Personen ähnliche Einkommensverluste hinnehmen müssen, ist der eigene Einkommensverlust leichter verkraftbar. Was zählt, ist der Vergleich mit anderen Mitgliedern der Gesellschaft, nicht nur die absolute Höhe der eigenen Einkommensentwicklung.

Die Zufriedenheit der Österreicher hängt stark vom Einkommen ab. Und das kann sich negativ auf die Demokratie auswirken.
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Das Mithalten-Müssen als Antrieb der Unzufriedenheit

Armut in einer Gesellschaft aus Superreichen macht daher unzufriedener als Armut in einem armen Land. Für gestandene Österreicher werden diese Erkenntnisse der Psychologie vermutlich besser verständlich, wenn man sie auf den heimischen Automarkt umlegt. Wenn man seit Jahren einen Kleinwagen fährt und sich auch nichts anderes leisten kann, so mag das in Ländern der (tendenziell) kleineren Autos, wie Griechenland oder Italien, nicht besonders bemerkenswert sein. Nicht so in Österreich: Je mehr Autofahrer hierzulande auf SUVs umsteigen, desto mehr steigt auch der (gesellschaftliche) Druck, selbst einen SUV anzuschaffen. Auch dann, wenn es am Kleinwagen qualitativ absolut nichts zu bemängeln gibt.

Denn was zählt, ist der Vergleich mit anderen in Bezug auf das Statussymbol Auto. Und in einer Gesellschaft, in der tendenziell – und sei es bloß in der eigenen Wahrnehmung – immer größere und stärkere Autos gefahren werden, wird das Verharren auf dem eigenen Status quo als Verlust empfunden. Diese Dynamik des "Mithalten-Müssens" mit anderen Mitgliedern der Gesellschaft ist übrigens auch einer der Hauptfaktoren im Entstehen der amerikanischen Subprimekrise oder Bankenkrise im Jahr 2008 gewesen.

Einkommen hat Einfluss auf die Demokratie

Es bleibt also nicht folgenlos, wenn ein Teil der Österreicher immer reicher wird, während die Einkommen des anderen Teils seit Jahren stagnieren. Veränderungen der Einkommensungleichheit besitzen das Potenzial, sich signifikant auf das allgemeine Maß der Zufriedenheit in einer Gesellschaft auszuwirken. Und sie können dadurch mittelbar auch zu einer Gefahr für demokratische Institutionen eines Landes werden.

Die Entwicklungen in Ländern wie Venezuela oder auch den USA sollten uns eine deutliche Warnung vor dem Sirenengesang einiger neoliberaler Lobbyorganisationen sein, die auf der ganzen Welt im Moment rücksichtslos und unreflektiert die Interessen reicher und superreicher Gesellschaftsschichten vorantreiben. (Michael Radhuber, 28.11.2017)