Wien – Die britische Regisseurin Sally Potter erzählte einmal in einem Interview von ihrem feministischen Erweckungserlebnis. "Wann ist Ihnen klargeworden, dass Feminismus in der Kunst ein Thema ist?", wollte der Interviewer wissen. Potter: "Da gab es einen speziellen Moment, ich hörte Bob Dylans Song 'Lay Lady Lay' und identifizierte mich mit dem Text. Und plötzlich wurde mir bewusst, dass ich ausgeschlossen bin! 'Leg dich hin, Lady, auf mein großes Messingbett' – ich dachte, verdammt, ich soll diejenige sein, die sich hinlegt? Ich will lieber auch singen!"

Noch eine, die lieber singt, als sich aufs Messingbett zu legen, ist zweifellos Jane Campion. Ob sie es denn nicht auch einmal spannend fände, einen Mann in den Mittelpunkt eines Films zu stellen, wurde die Regisseurin von "The Piano" und "Top of the Lake" gefragt. Die Neuseeländerin legt außerdem Wert darauf, mit einer weiblichen Crew zu drehen. Campion antwortete, im Prinzip schon, aber sie sei nun einmal eine Frau, und sie interessiere sich für das Leben von Frauen. Das ist ja keine Kleinigkeit.

Komplettes Werkstück

Vier Jahre nachdem sich Campion wie viele andere ihrer Kolleginnen und Kollegen dem Fernsehmetier gewidmet und mit der Krimiserie "Top of the Lake" ein ziemlich komplettes Werkstück abgeliefert hatte, zog die 63-Jährige mit der Fortsetzung "China Girl" 2016 erneut Zuschauer an den Grund des Seebodens. Germain McMicking stand hinter der Kamera. Das Drehbuch schrieb die Regisseurin gemeinsam mit Gerard Lee. Arte zeigt die sechs Folgen ab 7. Dezember.

Vier Jahre sind vergangen, seit Robin Griffin (Elisabeth Moss) das verschwundene Mädchen Tui in den unendlich scheinenden Weiten Neuseelands gesucht hatte. Die Sache hat Spuren hinterlassen, Angstzustände und Schlafstörungen sind da noch die offensichtlichsten Folgen. Robin nimmt nach 17 Jahren Kontakt zu ihrer Tochter Mary auf. Noch ahnt sie nicht, dass sich dort im Hintergrund gerade ein Familiendrama ereignet.

Unerträglich positiv

Eine unerwünschte Beziehung zu dem viel älteren Alexander sorgt für Unmut zwischen dem Vater und der Stiefmutter Julia (Nicole Kidman), die als praktizierende Feministin gewissen Fanatismus wirksam werden lässt. Schließlich gibt das Meer einen Koffer mit der Leiche einer jungen Asiatin frei, Robin will den Fall. Eine zusätzliche Herausforderung stellt die neue Kollegin Miranda (Gwendoline Christie) dar, die, zwei Kopf größer, nebenan wohnt und unerträglich positive Signale aussendet.

Sehenswertes Duo: Elisabeth Moss (links) und Gwendoline Christie.
Foto: See-Saw Films

Die zweite Staffel, wieder von Sundance TV produziert, wurde von den Zuschauern nicht so einhellig wohlwollend aufgenommen. Verwirrende Story, Lücken in der Handlung wurden beanstandet. Wie immer man sich darauf einigen mag, Kidmans Spiel ist jedenfalls ein Gedicht, noch mehr kann man sich über das Duo Moss/Christie freuen, das als weibliche Ausgabe von Pat und Patachon auf Gedeih und Verderb aneinandergekettet ist.

Nicole Kidman als Stiefmutter Julia.
Foto: See-Saw Films

Einen gewissen Wiedererkennungseffekt in Campions Filmen hat das Thema Kommunikation, etwa in "Das Piano" oder bei der ersten Staffel von "Top of the Lake", als das missbrauchte Kind Tui schwieg und es den Menschen um sich nicht leichter machte.

In "China Girl" sprechen alle Beteiligten viel, mitunter zu viel und aneinander vorbei. Auf die Dauer wirkt das Geplapper von allen tatsächlich etwas ermüdend. Vielleicht hilft beim nächsten Mal Singen im Messingbett. (prie, 5.12.2017)