3,7 Milliarden Nutzer verschicken täglich insgesamt 269 Milliarden E-Mails.

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In den vergangenen Jahren wurde schon öfters der "Tod der E-Mail" ausgerufen. Allerlei Firmen, von etablierten Größen bis hin zu ambitionierten Start-ups, versprachen die Ablöse eines Systems, über das oft und gerne geschimpft wird. Oft genug auch zu Recht.

Denn Probleme gibt es einige. Auch den besten Filtern entgeht so manche Spam- und Phishing-Nachricht. Und im Lauf der Zeit driften auch gut gepflegte Posteingänge zwischen freundschaftlichen Konversationen, Bestellbestätigungen, E-Tickets, Bestätigungscodes und Weiterleitungen mehr oder weniger lustiger Powerpoint-Folien älterer Verwandter in die Unübersichtlichkeit.

Allerdings konnten weder das soziale Netzwerk Facebook noch der Messenger Whatsapp, die Teamware Slack oder diverse andere Dienste dem Posteingang den Garaus machen, sondern ihn bestenfalls in Teilbereichen ersetzen. 3,7 Milliarden Nutzer verschicken zusammen jeden Tag 269 Milliarden Mails, analysiert die Radicati Group. Das erfolgreichste Online-Kommunikationssystem ist "too big to fail". Doch für Leidgeplagte gibt es Hoffnung auf ein "Update", schreibt "Wired".

Management muss besser werden, nicht die Technik

Dabei geht es nicht darum, dass Technologien, die dem E-Mail-System zugrunde liegen, eine Aktualisierung erfahren. SMTP, POP und IMAP haben extrem weite Verbreitung gefunden, auch weil sie keinem Unternehmen, sondern der Allgemeinheit gehören. Das erschwert es allerdings, eine umfassende Aktualisierung vorzunehmen, da die Abwärtskompatibilität stets gewahrt bleiben muss. Niemand wird einen E-Mail-Client oder -Dienst verwenden, der sich nicht mit anderen Servern verständigen kann, denen das Update fehlt.

Verbesserungen müssen also nicht am technischen Grundgerüst ansetzen, sondern am Umgang mit den Nachrichten selber. Diverse Browser-Erweiterungen liefern hier schon Lösungsansätze. Und die webbasierten E-Mail-Services verschiedener Anbieter versuchen ebenfalls den Nutzer zu unterstützen. Für Googles Gmail, mit 1,2 Milliarden Nutzern Marktführer unter seinesgleichen, gibt es die alternative Oberfläche Inbox. Sie sortiert Mails automatisch in verschiedene Kategorien vor, hebt Termine und Bestellungen heraus, kann Newsletter mit einem Klick abbestellen und bietet auf Basis smarter Textanalyse kurze vorgefertigte Antworten an.

Über weitere Adaptionen denkt Google-Mitarbeiter Jacob Bank nach. Es geht um größere und kleinere Verbesserungen. Die Anzeige von Mails sollte von Inhalt und Dringlichkeit abhängen. Nachrichten, die schneller Beantwortung bedürfen, sollten automatisch prominenter platziert werden als solche, die warten können. Und wenn man eine Nachricht von einer "Noreply"-Adresse bekommt – typischerweise Bestellbestätigungen und Newsletter –, könnte man das Antwortfeld eigentlich standardmäßig ausblenden.

Vom Briefkasten zum Informationsspeicher

Überhaupt gilt es dabei, den schleichenden Wandel der E-Mail zu bedenken. Sie verwandelt sich von einem Medium zur direkten Kommunikation zunehmend in eine Ablage für "Transaktionen", erklärt Arlos Rose, der einst bei AOL die Entwicklung des Mailclients Alto leitete, der nun Teil des Angebots von Oath ist, des Zusammenschlusses von AOL und Yahoo.

Laut seinen Daten bestehen heutige Posteingänge zu 85 Prozent aus "Transaktionsnachrichten": Flugtickets, Rechnungen von Online-Einkäufen und mehr – Tendenz steigend. E-Mails werden zunehmend zu einem privaten Informationsarchiv. Anbieter müssen dafür Lösungen entwickeln, die sich nicht in guten Suchfunktionen erschöpfen.

Warten auf den Wandel

Die Anforderungen sind bekannt. Lösungsansätze gibt es viele. Nun, so resümiert "Wired", muss nur noch jemand all die Puzzlestücke zusammensetzen, um dem Ruf der E-Mail einen "Turnaround" zu bescheren. Die Nutzer sollten darauf hoffen, dass das gelingt, denn die Mail ist "das einzige offene, freie und universelle Kommunikationsmittel, das übrig ist" und auch nicht so schnell verschwinden wird. (red, 30.11.2017)