Im US-County Tippecanoe soll "Pokémon Go" zu 134 Unfällen mit 31 Verletzten und zwei Toten beigetragen haben.

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Das Smartphone-Game "Pokémon Go" war der digitale Sommer-Hype des Jahres 2016. Wenngleich der große Ansturm längst abgeebbt ist, macht Entwickler Niantic nach wie vor ein gutes Geschäft mit der Augmented-Reality-Monsterjagd.

Immer wieder gab es aber auch Unfälle, bei denen das Game eine Rolle spielte. Auch über Tote wurde berichtet, üblicherweise in Bezug auf Verkehrsunfälle. Forscher der Purdue University haben dazu nun Daten erhoben und eine Rechnung zu Todesopfern und Schäden angestellt. Die Studie wurde noch keinem Peer-Review unterzogen.

Herangehensweise

"Death by Pokémon Go", lautet der durchaus reißerische Titel der Studie. Ausgewertet wurden dafür rund 12.000 Unfallberichte der Polizei in Tippecanoe County im US-Bundesstaat Indiana zwischen Anfang März 2015 und Ende November 2016. Diese enthalten neben Zeit und Datum auch eine Schätzung des Schadens, Angaben zu Personenschäden, zur Unfallursache sowie die Koordinaten der Unfallstelle.

In "Pokémon Go" versorgen Spieler sich mit Items aus sogenannten Pokéstops, die auf der realen Straßenkarte platziert sind und dank GPS-Ortung erreicht werden können, in dem man sich an den jeweiligen Ort begibt. Die Annahme der Forscher: Wenn "Pokémon Go" negative Auswirkungen auf den Straßenverkehr hat, müsste man ab der Einführung am 6. Juli 2016 unproportiale Unfallhäufungen nahe diesen Pokéstops feststellen können.

Höhere Unfallwahrscheinlichkeit bei Pokéstops

Und tatsächlich: Eine Steigerung zum Vorjahr um 286 Unfälle wurde in den 148 Tagen nach Spieleinführung verzeichnet. Davon trugen sich 134 in der Nähe von Pokéstops zu und sollen dem Spiel zuordenbar sein. Zur Überprüfung der Kausalität hat man die Unfallhäufigkeit von Kreuzungen innerhalb eines 100-Meter-Radius um einen Pokéstop mit weiter entfernten Kreuzungen verglichen. Das Ergebnis: An Kreuzungen nahe den Ingame-Tankstellen war die Unfallwahrscheinlichkeit um 26,5 Prozent höher, was einen signifikanten Unterschied darstellt, fasst Ars Technica zusammen.

Das Berechnungsmodell berücksichtigte dabei auch Daten der gleichen Kreuzungen im Jahr davor, als "Pokémon Go" noch nicht eingeführt war, als auch andere Faktoren wie die Nähe zu Schulen und Wettereinflüsse. Auch ein Abgleich mit der Zunahme und Abnahme der aktiven Spielerzahl und Faktoren wie eine überproportionale Erwähnung von "abgelenkten Fahrzeuglenkern" als Unfallursache deuten darauf hin, dass "Pokémon Go" tatsächlich maßgeblich zu einer Steigerung der Unfallzahlen beigetragen hat.

Zwei Tote, 31 Verletzte

Die 134 Unfälle kommen zusammen auf eine Summe von rund 500.000 Dollar, was die Schäden an Fahrzeugen betrifft. Dazu gesellen sich 31 Verletzte und zwei getötete Verkehrsteilnehmer. Basierend auf Versicherungsdaten und den Centers for Disease Control and Prevention, einer Behörde des Gesundheitsministeriums, lässt sich sich daraus nach "konservativer Schätzung" ein Schaden von rund 4,8 Millionen Dollar errechnen.

Dieser setzt sich zusammen aus Schadenersatzforderungen und dem Wegfall von Einkommen. Insgesamt rechnet man Unfällen mit "Pokémon Go"-Hintergrund im Bezirk einen Gesamtschaden von 5,2 Millionen Dollar zu.

Schätzung: Bis zu 145.000 Unfälle und 256 Tote

Basierend auf ihrer Analyse haben die Forscher auch eine landesweite Hochrechnung angestellt. Sie weisen allerdings darauf hin, dass diese als "spekulativ" zu betrachten ist. Man kommt hierbei auf bis zu 145.000 zusätzliche Unfälle, bis zu 29.000 Verletzte und bis zu 256 Tote in den ersten fünf Monaten nach dem Start von "Pokémon Go". Der Schaden soll zwischen zwei und 7,3 Milliarden Dollar betragen.

Zum Vergleich: Im gesamten Jahr 2016 wurden in den Vereinigten Staaten laut dem National Safety Council 40.000 Menschen im Straßenverkehr getötet und 4,6 Millionen Personen schwer verletzt. Die Schadenssumme wurde mit 432 Milliarden Dollar beziffert.

Autounfälle legen wieder zu

Nach einem Allzeit-Tief im Jahr 2011 steigen in den USA die Verkehrsunfälle wieder an. Laut einer Schätzung des NSC aus dem Jahr 2015 spielt die Verwendung von Mobiltelefonen in 27 Prozent aller Crashes eine Rolle. Die Zahl der Verkehrstoten ist alleine von 2014 auf 2016 um 14 Prozent gestiegen.

Entwickler Niantic hat bereits einen Monat nach Veröffentlichung eine erste Warnfunktion in das Spiel integriert, bei der Nutzer bei erhöhter Geschwindigkeit bestätigen mussten, nur Beifahrer zu sein. Mittlerweile wurden die Maßnahmen verschärft, sodass das Game praktisch nur noch bei langsamer Geschwindigkeit benutzbar ist. (gpi, 28.11.2017)

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