Eine Kooperation von DER STANDARD und der Rechercheplattform DOSSIER.

In Niederösterreich gelten ab heuer strengere Regeln für die Eintragung von Zweit- und Nebenwohnsitzern in Wählerevidenz und Wählerverzeichnis.

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St. Pölten – Wer in Niederösterreich einen Zweit- oder weiteren Nebenwohnsitz hat, wie es Ende Oktober 2015 laut Statistik Austria 317.540-mal der Fall war, erhielt im Sommer ein Schreiben der jeweiligen Gemeinde zugeschickt. Darin wurde er oder sie nach seinem oder ihrem Bezug zum Ort des Nebenwohnsitzes gefragt. Für eine Antwort wurden zwei Wochen Zeit eingeräumt.

Zweck der Übung: Das Land wollte feststellen, ob die lokale Bindung des Zweit- oder Nebenwohnsitzers eine Eintragung in der Wählerevidenz rechtfertigt; ohne Bindung kann laut Landesbehörden nicht von einem "begründeten ordentlichen Wohnsitz" und damit auch von keinem Wahlrecht ausgegangen werden.

Bis dato liberale Regeln für Zweitwohnsitzer

Besagte Wählerevidenz wird von der Gemeinde geführt und bildet die Grundlage von dem Wählerverzeichnis für die kommende niederösterreichische Landtagswahl am 28. Jänner 2018. Wer in diesem Verzeichnis nicht vorkommt, darf nicht wählen – auch wenn er oder sie dies aufgrund einer bis dato liberalen Handhabung bei vergangenen Urnengängen durchaus durfte.

Gefragt wurde auf Grundlage einer Novelle des niederösterreichischen Landesbürgerevidenzgesetzes vom 1. Juli 2017. Mit ihr wurden rigidere Regeln für das Zweitwohnsitzerwahlrecht eingeführt.

Notorische Beschwerden über Mehrfacheintragungen

"Es war dem Land immer schon ein Bedürfnis, die Wählerevidenz so aktuell wie möglich zu halten", erläutert Peter Anerinhof, Leiter der niederösterreichischen Abteilung Staatsbürgerschaften und Wahlen im Gespräch mit dem STANDARD. Auch die notorischen Beschwerden wegen fälschlicher oder mehrfacher Wählerverzeichnis-Eintragungen bei früheren Urnengängen seien ein Grund gewesen, heißt es bei den Grünen.

Von ihnen kommt nun die lauteste Kritik an der "Intransparenz" der Entscheidungen nach dem novellierten Gesetz. Ob einem Zweit- oder Nebenwohnsitzer ein "begründeter ordentlicher Wohnsitz" und damit Wahlrecht zugestanden werde oder nicht, liege allein in der Hand der Bürgermeister, meint die grüne Landessprecherin Helga Krismer: "Die Ergebnisse sind von Gemeinde zu Gemeinde höchst verschieden."

Bürgermeister entscheiden im Einzelfall – und allein

Tatsächlich müssen die Bürgermeister vielfach im Einzelfall entscheiden, denn die diesbezüglichen Kriterien lassen Interpretationsspielraum. Laut einem dem STANDARD vorliegenden Erlass der niederösterreichischen Landesregierung sind die wirtschaftliche, die berufliche sowie die gesellschaftliche Verankerung relevant.

Für die wirtschaftliche Beheimatung ist etwa "Haus- und Wohnungseigentum bzw. eine Mietwohnung, welche von der Person laufend genutzt wird", Voraussetzung. Was "laufend" bedeutet, wird nicht genau erklärt.

Leser und Leserinnen sind gefragt

DER STANDARD startet daher in Kooperation mit der Rechercheplattform Dossier eine großangelegte Recherche – und bittet dafür seine Leserinnen und Leser um Mithilfe. Wir wollen wissen, wie viele Bürger mit Zweitwohnsitz in Niederösterreich bei der Landtagswahl wahlberechtigt sind, wer wie darüber entschieden hat und wie die Entscheidung kommuniziert wurde. Dazu haben wir einen Fragebogen erstellt, den Sie hier ausfüllen können:

Sie können die Umfrage auch direkt auf Google Forms beantworten. Über das Ergebnis der Crowdsourcing-Umfrage werden wir in den kommenden Wochen berichten. (Irene Brickner, Sebastian Fellner, 29.11.2017)