Insgesamt öffneten im Vorjahr 62 Prozent der Österreicher ihre Brieftasche für den guten Zweck. Der Anteil sinkt leicht.

Foto: : Maria von Usslar

Wien – Die Spendenorganisationen haben 2016 ein absolutes Rekordjahr verzeichnet. Zahlen des Fundraising-Verbands Austria (FVA) zufolge spendeten die Österreicher insgesamt rund 640 Millionen Euro – so viel wie nie zuvor. FVA-Geschäftsführer Günther Lutschinger blickt dennoch "mit ein bisschen Sorge" in die Zukunft, denn heuer dürfte nach langem Aufschwung eine Trendumkehr bevorstehen: 2017 werden nur noch 630 Millionen Euro Spenden erwartet, geht aus dem am Mittwoch präsentierten "Spendenbericht 2017" hervor.

Damit wäre es immer noch das zweitstärkste Spendenjahr in Österreich. Vergangenes Jahr hatte der FVA in ihrer Prognose die Spendenbereitschaft übrigens unterschätzt und mit 625 Millionen Euro gerechnet.

Die Entwicklung des Spendenaufkommens seit 2012. Beim Jahr 2017 handelt es sich um eine Hochrechnung, da die Zahlen zum letzten Quartal noch fehlen.
Grafik: Fundraising Verband Austria

Den Aufwärtstrend bis hin zum Rekord von 2016 erklärt Lutschinger damit, dass es im Vorjahr mehrere humanitäre Katastrophen gegeben habe, die Zahl der spendenwerbenden Organisationen und Privatinitiativen insgesamt zunimmt und die Rahmenbedingungen für Spender sich über die Jahre gebessert haben. Allerdings seien die seit 1. Jänner 2017 geltenden Regeln zur Spendenabsetzbarkeit auch ein Grund für die erwartete Stagnation der Spendensumme.

Spendenabsetzbarkeit neu

Seit Jahreswechsel müssen die NGOs und nicht mehr die Einzelspender dem Finanzamt die eingegangenen Spenden melden. Damit diese von der Steuer abgesetzt werden können, müssen die NGOs den Namen des Spenders laut Melderegister und das Geburtsdatum weiterleiten. Darüber sei bisher auch "völlig unzureichend informiert" worden, kritisiert Lutschinger.

Entwicklung der Summe steuerlich abgesetzter Spenden seit 2010.
Grafik: Fundraising Verband Austria

Weniger Katastrophen

Einen weiteren Grund dafür, dass die Österreicher heuer vermutlich weniger spendabel sind als 2016, sieht Lutschinger darin, dass es weniger Aufrufe zur Flüchtlingshilfe und andere Elementarereignisse gegeben habe.

Am meisten wird für Kinder und Tiere gespendet, aber seit Jahren gewinnt auch das Motiv, für Wohnungslose spenden, an Bedeutung.
Grafik: Fundraising Verband Austria

Kinder, Tiere und Katastrophen im Inland sind laut dem Umfrageinstitut Public Opinion die meistgenannten Gründe dafür, Geld zu spenden. Allerdings gewinnen auch Spenden für Obdachlose laut Bernhard Hofer an Bedeutung. "Das Thema ist in der Öffentlichkeit präsenter und trifft auch mehr junge Menschen", sagt der Public-Opinion-Geschäftsführer. 2017 habe es weiter an Bedeutung gewonnen und sei auf 17 Prozent gestiegen.

Anteil der Spender schrumpft

Insgesamt öffneten im Vorjahr 62 Prozent der Österreicher ihre Brieftasche für den guten Zweck. Laut Lutschinger ist auch hier ein leichter Rückgang zu bemerken: Demnach lag der Anteil der Spender 2015 noch zwei Prozentpunkte höher, heuer werden es nur noch 60 Prozent sein. Allerdings steigt ein Wert, der für die Spendenorganisationen von großer Bedeutung ist: Die Zahl regelmäßiger, systematischer Spender nimmt zu. 2010 waren es noch elf Prozent, heuer werden es bereits 21 Prozent sein.

Regionale Unterschiede

In Oberösterreich liegt der Anteil der Spender deutlich unter dem Schnitt: Nur jeder Zweite spendet hier, dafür gab er jeweils die höchste Durchschnittssumme (126 Euro) pro Zahlendem. Dagegen sind knapp drei Viertel der Burgenländer und Niederösterreicher grundsätzlich spendabel, geben im Schnitt dafür aber nur 110 Euro.

62 Prozent der Österreicher haben 2016 Geld gespendet. Die regionale Verteilung zeigt Unterschiede.
Foto: Fundraising Verband Austria

Weltmeister der Großzügigkeit sind die Österreicher damit nicht. 73,56 Euro wurden 2016 pro Kopf – berechnet an der Einwohnerzahl – gespendet. "Damit liegt die Durchschnittsspende noch weit hinter den Nachbarländern", sagt Lutschinger. Deutsche und Schweizer sind da deutlich spendabler (Details siehe Grafik). Das höchste Spendenaufkommen verzeichnen die USA mit durchschnittlich 1.079 Euro pro Einwohner.

Spendenverhalten in Europa: In einigen Nachbarstaaten ist man großzügiger als in Österreich.
Grafik: Fundraising Verband Austria

Zwar habe die Zahl der Großspender in Österreich um 40 Prozent zugenommen, im internationalen Vergleich sei das Aufkommen aber noch auf einem geringen Niveau, sagt der FVA-Geschäftsführer. Das zeigt auch dieser Vergleich mit Deutschland:

Grafik: Fundraising Verband Austria

Insgesamt ist die Zahl der spendenbegünstigten gemeinnützigen Einrichtungen gegenüber 2016 gewachsen: von 1.186 auf 1.232. Den wesentlichen Anteil an dem Wachstum macht laut dem Spendenbericht der Kunst- und Kulturbereich aus.

Rotes Kreuz wieder vorne

Als der Spendenbericht vergangenes Jahr präsentiert wurde, führte die Caritas die Liste der größten NPOs Österreichs an. Mit dem 2016 lukrierten Geld aus Spenden, Patenschaften, Fördermitgliedschaften und Firmenspenden steht nun wieder das Rote Kreuz an oberster Stelle. 76,16 Millionen Euro wurden allein dem Roten Kreuz gespendet oder kamen dort durch Mitgliedsbeiträge herein.

Die zehn größten Spendenorganisationen Österreichs nach Spendenaufkommen. 2015 hatte die Caritas die Liste angeführt, 2016 wieder das Rote Kreuz.
Grafik: Fundraising Verband Austria

Das Rote Kreuz will mit diesen Mitteln zwei Schwerpunkte setzen: bei frühen Schulabbrechern und der Unterstützung der Angehörigen von Demenzkranken. "Wir wollen für die Early School Leavers Lernhäuser einrichten und sie zum Pflichtschulabschluss und in die Lehre bringen", sagt Werner Kerschbaum, Generalsekretär des Roten Kreuzes. Mithilfe einer Stiftung will man auch zunehmend Großspender gewinnen.

Bürokratieabbau gefordert

Der Fundraisingverband fordert, den Stiftungssektor zu stärken und bürokratische Hürden bei Spendenbegünstigung und im Gemeinnützigkeitswesen abzubauen. Es sei Aufgabe der nächsten Regierung, da entsprechend tätig zu werden, sagt Lutschinger. (Gudrun Springer, 29.11.2017)