Norwegen hat sich zum Pariser Klimavertrag bekannt, gewinnt aber weiterhin Öl und Gas, wie hier im Fördergebiet Heidrun. Das passt nicht zusammen, sagt Klimaforscher Svein Tveitdal. Denn soll das in Paris festgesetzt Ziel von höchstens zwei Grad Erwärmung im Vergleich zum vorindustriellen zeitalter halten, müssen 80 Prozent der Kohle-, Gas- und Erdölvorkommen weltweit im Boden bleiben.

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Wien/Oslo – "Wir können die grüne Wende nicht nur nationalen Regierungen überlassen", sagt Klima- und Polarforscher Svein Tveitdal. Eine aktuelle Studie des Umweltprogramms der Vereinten Nationen zeigt, dass die Zusagen der Nationalstaaten nur ein Drittel von dem abdecken, was nötig wäre, um das im Pariser Klimavertrag festgelegte Zwei-Grad-Ziel zu halten.

Im Moment würde der globale Temperaturanstieg selbst bei konsequenter Umsetzung 3,5 Grad Celsius betragen. "Das ist das Rezept für eine Katastrophe", sagt der Wissenschafter, der jahrelang Direktor des UN-Umweltprogramms war. Eine Lösung sieht er in den Städten. Denn dort setzten die Verwaltungen schon jetzt oft mutig Klimaschutz um.

Lösung in Stadtverwaltung suchen

Das Potenzial ist groß, vor allem auch abseits von Megacitys, sagt Tveitdal: Aktuell leben rund 54 Prozent der Weltbevölkerung in Städten. Im Jahr 2030 sollen es laut UN bereits 60 Prozent sein. Die Hälfte aller Stadtbewohner leben in Städten mit weniger als 500.000 Einwohnern, 45 Prozent in jenen mit weniger als 300.000 Einwohnern, so Tveitdal.

Erst jüngst auf der Klimakonferenz in Bonn sind die Unterschiede im nationalen und städtischen Bereich anhand der USA deutlich zutage getreten. Nach dem von Donald Trump angekündigten Ausstieg aus dem Klimaabkommen haben sich mehr als 300 US-amerikanische Städte mit insgesamt 65 Millionen Einwohnern laut und medienwirksam zu den Vereinbarungen von Paris bekannt und widersetzen sich damit der Klimapolitik der Regierung.

Vorreiter Oslo

Ein anderes Beispiel für Unterschiede im nationalen und städtischen Klimaschutz ist Tveitdals Heimatland Norwegen. In Oslo wurden die Klimaziele etwa in das generelle Budget integriert, und es fährt auch in Sachen E-Mobilität voraus. Der Anteil der neu zugelassenen E- und Hybridautos liegt bei 35 Prozent. 50.000 Elektrofahrzeuge und 30.000 ladbare Hybridautos sind im Großraum Oslo registriert, bestätigt die Osloer Stadtverwaltung.

Das Mittel zum Erfolg ist simpel, sagt Tveitdal: "Autos, die mit fossilen Brennstoffen angetrieben werden, müssen einfach mehr kosten." Mehrwert-, Import- und Kfz-Steuer fallen beim Kauf von E-Autos weg. Daher bezahlt man in Norwegen bei Neukauf eines E-Golfs umgerechnet rund 26.780 und eines Benzin-Golfs rund 30.780 Euro.

"Außerdem können elektrische Fahrzeuge in Taxispuren fahren und genießen in der Verkehrsordnung noch andere Vorteile", sagt der Klimaforscher. In vielen Kommunen ist Parken und Laden gratis, und die Mautgebühr entfällt. An den Förderungen soll zumindest bis 2020 nicht gerüttelt werden, beschloss das Parlament. Bis 2025 sollen alle neu zugelassenen Autos in Norwegen Nullemissionsfahrzeuge sein.

"Tanzt auf zwei Hochzeiten"

Andererseits wird Norwegen international kritisiert, da es neue Ölförderlizenzen in der Arktis vergeben hat. Greenpeace hat unter anderem deswegen geklagt, der STANDARD berichtete. Der skandinavische Staat hat jedoch dem Zwei-Grad-Ziel zugestimmt. "Wir wissen, dass dafür 80 Prozent der Kohle-, Gas- und Erdölvorkommen weltweit im Boden bleiben müssen. Norwegen tanzt auf zwei Hochzeiten", so Tveitdal.

Von Städten wie Oslo könnten Impulse ausgehen. Dazu gehört etwa die Kooperation von Städten mit dem privaten Sektor, der "sehr interessiert an einem grünen Wandel ist", so Tveitdal. Denn der potenzielle Markt sei enorm, wenn das Klimaabkommen wirklich konsequent umgesetzt wird.

Konferenz widmet sich Veränderungen in Städten

"Die politische Macht verschiebt sich immer mehr – weg von Staaten in Richtung Stadtverwaltungen. Die Städte wollen mit dem Klimaschutz nicht mehr warten", sagt Gerald Babel-Sutter. Er hat die Urban Future Expo initiiert, die am 28. Februar in Wien startet. Ziel war es, Leute zusammenzubringen, die jetzt schon für Veränderung in Städten sorgen. Dazu gehören Mitarbeiter von Verkehrsunternehmen, Behörden, NGOs oder Architekten und Politiker.

Schon bei der ersten Konferenz 2014 kamen 1000 Menschen aus 43 Ländern, so Babel-Sutter. Ziel ist es, nicht nur Studien oder Konzepte zu besprechen, sondern bereits implementierte Projekte. Dabei wird dem Lernen aus Fehlern in der "City Fuck Up Night" breiter Raum gegeben.

Druck auf Markt

Für Babel-Sutter liegt ein Schlüssel in der Finanzkraft der Städte. Bei der Klimakonferenz in Bonn haben etwa 23 Bürgermeister verkündet, dass sie ihre Mobilitätsflotte auf null Emissionen umstellen wollen. Dazu gehören Paris und London, die ab 2025 nur noch elektrische Busse kaufen wollen. "Das klingt zunächst wenig spektakulär. Aber diese Hauptstädte haben zusammen 14.000 Busse. Das ist eine starke Botschaft an die Industrie: Hast du kein Produkt im Angebot, hast du Pech gehabt", so Babel-Sutter. (Julia Schilly, 1.12.2017)