Die Luna, das Forschungsschiff des Instituts für Limnologie der Universität Innsbruck, wird am Hallstätter See eingewassert.

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Das Fächerecholot der Universität Bern wird mit Unterstützung des Reinhaltungsverbands Hallstättersee an die Luna montiert.

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Stefano Fabbri und Flavio Anselmetti von der Universität Bern nehmen letzte Anpassungen vor.

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Boot und Fächerecholot sind einsatzbereit.

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Los geht’s. Der See muss nun über die nächsten Tage streifenweise abgefahren werden.

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Der Hallstätter See.

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Nun ist auch die letzte Geländekampagne des Jahres im Facealps-Projekt abgeschlossen. Und für den Abschluss haben wir uns etwas Besonderes aufgehoben: die hochauflösende Vermessung des Bodens des Hallstätter Sees durch ein internationales Forscherteam. Ziel unserer Arbeiten vom 20. bis 24. Oktober: in bis zu 120 Meter Wassertiefe Hinweise auf jahrhundertealte Umweltereignisse aufzuspüren. Dort befindet sich gewissermaßen eine Schatzkiste der Umweltgeschichte.

Die Schlammschichten am Grund des Hallstätter Sees sind ein wertvolles Umweltarchiv. Blütenstaub sowie Reste von Tieren wie Insekten und Muschelkrebsen sind in die Schlammschichten am Seeboden eingelagert. Sie liefern reiche Informationen über klimatische Bedingungen, Vegetationsentwicklung, Erosion, natürliche Extremereignisse und die Eingriffe des Menschen in seine Umwelt. Auch aus der Dicke der Sedimentschichten und ihrer geochemischen Zusammensetzung lassen sich zahlreiche Informationen ablesen. Doch auch die Form des Seebodens beziehungsweise das Relief birgt eine Fülle an Informationen über vergangene Umweltereignisse.

Fächerecholot auf der Luna

In bis zu 120 Meter Wassertiefe wurden kleinste Höhenunterschiede im Relief des Seebodens gemessen. Denn hier verbergen sich zahlreiche Hinweise auf große und kleine Naturereignisse. Um diese lesen zu können, mussten wir ein Geländemodell des Seebodens erstellen. Hierzu wurde der Boden des Hallstätter Sees mit einem Multibeam-Gerät (Fächerecholot) vermessen. Im Vorfeld waren umfangreiche Vorbereitungen notwendig, von der Einholung der entsprechenden Genehmigungen über die Erkundung eines Anlegeplatzes für das Boot bis hin zum Informieren der Anwohner rund um den See.

Am 19. Oktober war es dann so weit. Das Team vom Institut für Geologie der Universität Bern reiste mit dem Multibeam-Gerät an, und die Kollegen von der Universität Innsbruck brachten das Forschungsboot, die Luna, an den Hallstätter See. Nachdem das Multibeam mithilfe des Reinhaltungsverbands Hallstätter See auf die Luna montiert worden war, konnte es losgehen. Der See wurde nun über mehrere Tage hinweg vom Team der Universität Bern abgefahren und der Seeboden vermessen.

Wie geht es weiter?

Nach dem erfolgreichen Abschluss der Messungen wurden die Rohdaten zunächst in Bern verarbeitet. Ihre Auswertung erfolgt nun am Institut für Geologie der Universität Innsbruck im Rahmen einer Masterarbeit durch Thomas Berberich. Das hochauflösende Höhenmodell des Seebodens macht unter anderem Schuttströme, Felsbrocken und Abrisskanten sichtbar. Diese werden nun zunächst identifiziert und kartiert. Denn diese Spuren stellen wichtige Hinweise auf vergangene Umweltereignisse wie Felsstürze, subaquatische und terrestrische Massenbewegungen oder auch vergangene Erdbeben dar. Die Arbeit ist ein wichtiger Baustein im Facealps-Projekt.

Eine lange Beziehungsgeschichte

Das Facealps-Projekt befasst sich mit der Mensch-Umwelt-Beziehung. Wir wollen verstehen, wie die Menschen über Jahrtausende von ihrer natürlichen Umwelt beeinflusst wurden und wie sie in diese eingriffen und sie veränderten. Die Landschaft rund um den Hallstätter See bietet erstklassige Bedingungen für die Auseinandersetzung mit diesen Fragen. Die Unesco-Welterbe-Region zählt zu den ältesten Kultur- und Industrielandschaften der Welt. Seit Jahrtausenden leben und wirtschaften Menschen in diesem Raum. Untertägiger Salzbergbau ist hier seit dem 15. Jh. v. Chr. nachgewiesen. Die Quellenlage ist sowohl aus archäologisch-historischer wie aus paläoökologischer Sicht erstklassig.

Wo stehen wir im Moment?

Wir befinden uns im ersten Jahr des Facealps-Projekt. In dieser Phase steht die Erhebung von Umweltdaten im Fokus der Forschungsarbeiten. Ziel dieser Arbeiten ist zum einen die Erstellung eines Inventars an natürlichen Extremereignissen im Umfeld des Hallstätter Sees über die letzten Jahrtausende und zum anderen die Rekonstruktion der Vegetationsentwicklung. Zu diesem Zweck wurden mehrfach Sedimentproben aus dem Hallstätter See entnommen, ein Moor im Hallstätter Hochtal beprobt und zuletzt die bathymetrische Vermessung des Seebodens durchgeführt. Die paläoökologische Datenerhebung ist somit fast abgeschlossen. Aktuell werden die Sedimentproben an der Universität Innsbruck und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften bio- und geowissenschaftlich ausgewertet. Im nächsten Jahr werden wir mit der Erhebung archäologischer und historischer Daten beginnen.

Was wollen wir erreichen?

Die Interaktion zwischen dem Menschen und seiner Umwelt ist ein komplexes Feld, das viele Aspekte beinhaltet, von ökologischen Prozessen bis zu kulturellen und sozioökonomischen. Unsere multidisziplinäre Vorgehensweise und die damit einhergehende Zusammenschau einer großen Bandbreite an Datentypen soll die Erfassung eines repräsentativen Teils dieser "Beziehungskiste" gewährleisten. Der lange Betrachtungszeitraum – die letzten 3.500 Jahre – ist eine zentrale Komponente im Verständnis komplexer Systeme. Schlussendlich sollen diese Forschungen einen Beitrag dazu leisten, tiefere Einblicke in das Zusammenspiel von Mensch und Natur im alpinen Raum generell zu erlangen.

Neben der wissenschaftlichen Zusammenarbeit sind auch Kooperationen mit den Institutionen und Privatpersonen vor Ort von großer Bedeutung für das Gelingen des Projekts. Dank gebührt im Besonderen der Gemeinde Hallstatt, den Österreichischen Bundesforsten, dem Reinhaltungsverband Hallstätter See, den Salinen Austria und den Salzwelten sowie der Freiwilligen Feuerwehr Hallstatt und dem Musealverein Hallstatt. Sie alle tragen wesentlich zu diesem Projekt bei. Das Facealps-Projekt wird durch die Österreichische Akademie der Wissenschaften gefördert. (Kerstin Kowarik, Flavio Anselmetti, Thomas Berberich, Stefano Fabbri, Michael Hilbe, Stefan Lauterbach, Hans Reschreiter, Michael Strasser, 30.11.2017)