In Abidjan verhandeln über 80 Länder eine Partnerschaft zwischen Europa und Afrika. Im Bild: Angela Merkel mit Südafrikas Jacob Zuma (re).

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Auf dem Papier klang das Hauptthema, auf das sich die über 80 Teilnehmer vorab geeinigt hatten, nach einer sicheren Bank. Der zweitägige Gipfel von Afrikanischer Union (AU) und EU begann am Mittwoch in der ivorischen Metropole Abidjan unter dem Titel "Investitionen in die Jugend für eine nachhaltige Zukunft". Das klingt insofern nach einer theoretisch konsensfähigen Materie, als Afrikas rasant wachsende Bevölkerung für beide Seiten ein enorm wichtiges Thema ist.

Dennoch drang vorab nach außen, dass es sich bei den Verhandlungen bei einer Reihe von Punkten gespießt habe. Vor allem, so heißt es aus informierten Kreisen, sei es der Zugang zu Problemen, der Afrikaner und Europäer häufig trenne. Dass sich unbequemere Positionen am Donnerstag auch in der Absichtserklärung wiederfinden werden, glaubten am Mittwoch nur wenige. Schon die Teilnehmerzahl erschwerte die Ausgangslage: Vertreter aus 55 Ländern der AU plus 28 der EU, dazu höchste Vertreter aus Brüssel und Addis Abbeba (AU-Hauptsitz) beziehungsweise Johannesburg-Midrand (AU-Parlament) sind in die Küstenstadt in Côte d'Ivoire gereist, auch internationale Organisationen und zahlreiche Jugendvertreter waren dabei.

Demografische Entwicklung

Auf ihrem Programm stand eine ganze Menge. Doch wenn es ein Thema gab, das schon vorab vor allem aus europäischer Sicht den sprichwörtlichen, für alle klar erkennbar im Raum stehenden Elefanten gab, dann war es das der Migration. Das Thema nahm enorm viel Platz ein, dafür dass es in Abidjan selbst nur als eines von vielen Kapiteln auf der offiziellen Tagesordnung stand. Dass sich ein Großteil der Statements vor Ort noch darum drehte, lag auch am Schwerpunkt des Gipfels: Mehr als die Hälfte der in Afrika lebenden Menschen ist unter 20 Jahre alt.

Laut Angaben der Uno hat sich die Bevölkerung Afrikas in den vergangenen 25 Jahren nahezu verdoppelt: 1,2 Milliarden sind es derzeit. Bis 2050, hat die Uno errechnet, wird sich diese Zahl noch einmal verdoppeln. Hier setzt das Kalkül der Europäer an: Die Zahl jener, die sich in den kommenden Jahren von Afrika aus auf den Weg machen, weil Wirtschaftswachstum und Arbeitsmarkt nicht mit der demografischen Entwicklung Schritt halten können, dürfte wohl eher zu- als abnehmen. Hinzu kommen all jene, die ihr Land in Folge des Klimawandels oder von kriegerischen Konflikten verlassen, sowie die Flüchtlinge aus anderen Teilen der Welt, deren Anzahl die EU gerade versucht niedrig zu halten.

Vernachlässigter Kontinent

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron kündigte zum Auftakt des Gipfels einen milliardenschweren Fonds an, der kleine und mittlere Unternehmen in Afrika fördern soll. Deutschland sagte Gelder zu, EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker will neue Investitionen in Milliardenhöhe in Afrika. Dass Europas neu entdecktes Interesse am lange vernachlässigten Nachbarkontinent nicht ganz uneigennütziger Natur ist, ändert nichts daran, dass freilich auch die Afrikaner wissen: Eine junge Bevölkerung kann für ein Land einen ökonomischen Vorteil darstellen, und zwar nur, wenn diese Zugang zu guter Ausbildung und genügend Arbeitsplätzen hat. Deshalb peilen auch die afrikanischen Staats- und Regierungschefs mehr Hilfe bei der Ursachenbekämpfung an – neben der Schaffung von legalen Wegen für Migration. Das Geld nämlich, das Afrikas Diaspora nach Hause überweist, übersteigt jede Entwicklungshilfe der Welt zusammengenommen um das Zwei- bis Dreifache.

Selbstbestimmt und komplex

Merkels Afrikabeauftragter Günter Nooke forderte dazu auf, illegale Migration zu bekämpfen und im Gegenzug begrenzte legale Wege für eine Berufsausbildung oder ein Studium für junge Afrikaner in Europa zu öffnen. Nooke verwies im Gespräch mit der Nachrichtenagentur Reuters auf den EU-Plan für Investitionen, der die Rahmenbedingungen für eben diese verbessern soll. "Es geht um Jobs, Jobs, Jobs." Wichtig sei aber auch eine andere Einstellung afrikanischer Regierungen.

Auch Staatssekretärin Muna Duzdar (SPÖ), die Österreich beim Gipfel vertritt, nannte es "einen wichtigen Schritt, dass bei diesem Gipfel das Thema Jugend in den Mittelpunkt gerückt wird". Die Herausforderungen beider Kontinente seien "untrennbar miteinander verbunden", sagte Duzdar: "Alle Entwicklungen, die in Afrika stattfinden, haben auch Auswirkungen auf Europa."

Emmanuel Macron hatte bereits tags zuvor in einer Rede über das Verhältnis zum afrikanischen Kontinent gesprochen, mit dem auch lange nach der Kolonialzeit starke wirtschaftliche und politische Verbindungen nach Frankreich bestehen. Vor Studenten in der Universität von Ouagadougou in Burkina Faso sagte Macron, er schaue einen selbstbestimmten und komplexen Kontinent an, dem er nicht zu sagen habe, was zu tun sei.

Evakuierungsaktion

Nach Berichten über Sklavenhandel mit Flüchtlingen in Libyen hat nach Angaben von Macron eine Reihe von Ländern am Rande des EU-Afrika-Gipfels beschlossen, die Opfer von Menschenhändlern aus dem Land herauszuholen. Die Notfalleinsätze sollten in den "kommenden Tagen oder Wochen stattfinden", sagte Macron nach einer Dringlichkeitssitzung von EU, Afrikanischer Union (AU), Uno und mehreren europäischen und afrikanischen Ländern.

Macron sprach von "dringenden Evakuierungsaktionen", um diejenigen aus Libyen zu bringen, die dies wollten. Libyen habe zugesagt, die Lager zu identifizieren, in denen sich "barbarische Szenen" ereignet hätten. Die libysche Regierung habe zugesichert, dass es Zugang zu diesen Lagern geben werde.

Frankreich dringt außerdem auf ein härteres Vorgehen gegen Schlepper. Ein kurzfristig angesetztes Krisentreffen soll darauf abzielen, "konkrete militärische und polizeiliche Aktionen vor Ort zu starten", so Macron. (Anna Giulia Fink aus Abidjan, APA, 29.11.2017)