Die FPÖ von Heinz-Christian Strache fordert seit Jahren Kassenzusammenlegungen, die ÖVP ist erst unter Parteichef Sebastian Kurz auf diesen Kurs eingeschwenkt.

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Oberösterreichs Landeshauptmann Thomas Stelzer warnt davor, "gut funktionierende Systeme" zu zerschlagen.

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Der schwarze Vorarlberger Landeshauptmann Markus Wallner hat sich schon festgelegt: Er ist gegen eine Zusammenlegung der Krankenkassen.

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Wien – Es ist nun an Wolfgang Sobotka, sich mit den Sorgen der schwarzen Landeschefs auseinanderzusetzen. Der Innenminister fungiert im Auftrag von Parteichef Sebastian Kurz als Länderkoordinator und ist aktuell gut beschäftigt. Am Donnerstagabend versammelte er, so wurde es dem STANDARD berichtet, die ÖVP-Landesfürsten bei sich. Eines der Aufregerthemen: die von Türkis-Blau geplante Fusion von Krankenkassen, gegen die es ÖVP-intern massiven Widerstand gibt.

Angesichts der Brisanz des Themas gibt man sich im Sobotka-Büro ganz wortkarg: "Wir kommentieren interne Termine nicht – weder Spekulationen zu Inhalten, noch ob diese stattgefunden haben."

Fusionen

Wie berichtet hat sich die Untergruppe Gesundheit darauf verständigt, die neun Gebietskrankenkassen zu einer Unselbstständigenkasse zusammenzulegen, die Sozialversicherungsanstalten der Gewerbetreibenden und Bauern sollen zu einer Selbstständigenkasse fusioniert werden. Die Beamten- und die Eisenbahnerkasse sowie die Pensionsversicherungsanstalt (PVA) blieben erhalten.

Laut STANDARD-Informationen sollen auch Kurz und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache noch immer entschlossen sein, die Pläne durchzuziehen. Auch weitere Details sickern nach und nach durch: So soll die Unfallversicherungsanstalt aufgeteilt werden. Geldleistungen sollen an die PVA übertragen werden, Sachleistungen, also vor allem die Pflege in Kranken-, Kur- und sonstigen Anstalten, an die Krankenkassen.

Entmachtung

Und noch eine weitere Entmachtung der Krankenkassen ist geplant. Künftig sollen sie nicht mehr für die Einhebung von Versicherungsbeiträgen sowie für deren Überprüfung zuständig sein. Diese Kompetenzen sollen bei der Finanz angedockt werden, um damit "mehr Transparenz" sowie einen zentralen Ansprechpartner für die Unternehmen zu schaffen.

Dabei geht es um enorme Beträge. Im Vorjahr hoben die Gebietskrankenkassen fast 40 Milliarden Euro an Beiträgen an (Sozialversicherung, Arbeitslosenversicherung, AK-Umlage, Wohnbauförderungsbeitrag et cetera) ein. Für diese Leistungen werden sie von den jeweiligen Stellen entschädigt. In Summe bekamen die Kassen laut einer parlamentarischen Anfrage der Neos im Jahr 2015 (letzte Daten) nicht ganz 289 Millionen Euro. Sollte die Beitragseinhebung also an die Finanz gehen, würden die Kassen um diese Vergütungen umfallen.

Mitarbeiter transferieren?

Im Detail sind aber noch viele Fragen offen. Etwa: Was macht man mit jenen Mitarbeitern, die jetzt bei den GKKs für Beitragseinhebung (rund 1.500 Stellen) sowie für Beitragsprüfung (250 Stellen) zuständig sind? Sinnvoll wäre eine Übertragung an die Finanz, wie Verhandler meinen. Angesichts der unterschiedlichen Dienstrechte – vor allem für ältere Mitarbeiter – ist das aber ein heikles Unterfangen.

Fachleute der Sozialversicherung sind jedenfalls bereits alarmiert. Die Finanzämter seien nicht darauf vorbereitet, eingehobene Beiträge an diverse Stellen zu verteilen. Und schon bisher seien die Finanzprüfer weniger erfolgreich als GKK-Prüfer. Zur Erklärung: Im Zuge der "gemeinsamen Prüfung aller lohnabhängigen Abgaben (GPLA)" gibt es derzeit gemischte Kompetenzen. Finanz und Sozialversicherung teilen sich also die zu prüfenden Betriebe auf.

Zielwerte unterschritten

Die bisherige Performance der Finanz zeige aber, dass dort die vereinbarten Zielwerte bei weitem nicht erreicht werden, im Jahr 2016 seien sie um satte 37 Prozent unterschritten worden. "Die SV-Prüfer treiben bald mehr Lohnsteuer ein als die Finanzprüfer", stichelt ein Insider. Und, so die Warnung: Sollte sich dieser Trend fortsetzen, wenn die Finanz allein für die Beitragsprüfung zuständig ist, müsste die Sozialversicherung in den kommenden fünf Jahren mit Einnahmenverlusten von 372 Millionen Euro rechnen.

Noch gibt es auf ÖVP-Seite hinter und vor den Kulissen aber Bemühungen, diese Pläne abzudrehen oder zumindest abzuschwächen. Vorarlbergs Landeshauptmann Markus Wallner hat bereits sein Nein zu einem Eingriff in die Finanzen der Gebietskrankenkasse deponiert. Oberösterreichs Landeshauptmann Thomas Stelzer formulierte seine Kritik dezenter. Bei der Zusammenlegung von Kassen sei er zwar gesprächsbereit. "Da muss etwas gehen." Aber auch er warnte davor, gut funktionierende Systeme zu zerstören, und lehnt eine zentrale Beitragseinhebung ab.

Die Gebietskrankenkasse und die Ärztekammer in Oberösterreich wiederum kündigen bereits Widerstand gegen Kassenfusionen an. Mit Unterschriftenlisten in Ordinationen und über eine Internetplattform sollen Stimmen gegen derartige Vorhaben gesammelt werden. (Günther Oswald, 1.12.2017)