Na, das ist doch mal ein bildungspolitisches Intro mit Weitsicht: Die türkis-blauen Regierungsverhandler wollen das Bifie, das Bundesinstitut für Bildungsforschung, Innovation und Entwicklung des Bildungswesens, auflösen, abwracken und seine Aufgaben "neu definieren". Just jenes Forschungsinstitut also, das umfassende empirische Daten über das heimische Bildungssystem erhebt und das Verbindungsglied zu allen internationalen Vergleichsstudien ist.

Diese Maßnahme – künftig quasi staatlich verordneter Blindflug in der Bildungspolitik – macht das österreichische Schulsystem sicher besser. Ja, und die Erde ist eine Scheibe.

Wissenschaftliche Daten über das Schulsystem als rationalen Politikinput? Brauchen wir nicht! Machen wir uns selbst. Wissen wir alles schon. Fakten? Gibt es nicht! Oder sie passen uns nicht ins ideologische Konzept. Also weg damit. Nun, das ist gedankenlose Affirmation des Geredes vom "postfaktischen Zeitalter" als Politikstrategie, vor allem aber ein bemerkenswert antiintellektuelles, wissenschaftsfeindliches Selbstverständnis für die Regierung eines modernen, aufgeklärten, westlichen Landes.

Mehr Ungeist denn Geist

In dieser ungenierten Form kennt man das derzeit eigentlich vor allem von Donald Trump, aber der US-Präsident hält den Klimawandel ja auch für ein "Gerücht" oder einen "chinesischen Trick". Also eigentlich eine andere Liga. Sollte Österreich mit der "neuen Volkspartei" und der alten FPÖ auf dieses Niveau sinken?

Sieht man sich an, was die künftigen Koalitionäre bisher vorgelegt haben, so weht ausgerechnet im "Bildungsprogramm" mehr Ungeist denn Geist. Der Plan zum Beispiel, jene Schülerinnen und Schüler, die ihr Heil nicht im Schoß einer Religionsgemeinschaft suchen und keinen konfessionellen Unterricht besuchen, strafweise zum Ethikunterricht zu verpflichten, zeigt deutlich, welch simples Menschenbild mit so einer "Bildungsmaßnahme" exekutiert werden soll. Wer sich die Freiheit nimmt, sein Leben frei von Religion zu leben, wird umgehend diszipliniert. Eine Anmaßung sondergleichen. Wer selbst denkt, wird sanktioniert. Denn sie, die Regierenden in spe, wissen natürlich sehr genau: Gegen Glauben und bloßes Meinen helfen nur Wissen und autonomes Denken. Das ist unpraktisch, wenn man durchregieren will, wenn man die Schule mit antiquierten Methoden ummodeln will.

Etwa indem Jugendliche so lange, und seien es Jahre, nachsitzen müssen, bis sie irgendwann, irgendwie doch noch lesen, schreiben und rechnen können. Oder im Familienpack gleich die Eltern mitbestrafen. Wenn's denn nur so einfach wäre ... Das alles ist mehr Struwwelpeter-Pädagogik denn auf der Höhe der Zeit. Und das könnte man in vielen internationalen Studien nachlesen, wenn man denn wollte. Oder man schafft einfach die Forscherinnen und Forscher dazu ab.

Es zieht sich also ein dunkler Faden durch das türkis-blaue Österreich-Projekt. Zeit für eine aufmerksame Relektüre von Immanuel Kant, der 1784 Aufklärung definierte als "Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen." Als Wahlspruch gab er aus: "Sapere aude! Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!" Eine Politik, die sich dem vorsätzlich in den Weg stellt und ein Gegenprogramm fährt, ist nichts anderes als ein gefährlicher Akt der Gegenaufklärung. (Lisa Nimmervoll, 1.12.2017)