Den Haag – Mit Zyankali hat sich der bosnisch-kroatische Ex-Militärkommandant Slobodan Praljak im Haager UN-Tribunal das Leben genommen. Das ist das vorläufige Ergebnis der Autopsie des Leichnams, wie die niederländische Staatsanwaltschaft am Freitagabend mitteilte. Demnach starb Praljak an Herzversagen, ausgelöst durch das Gift.

Der 72-Jährige hatte am Mittwoch während einer Urteilsbestätigung durch das UN-Tribunal für das ehemalige Jugoslawien aus einer kleinen Flasche getrunken und war wenig später gestorben.

"Die vorläufigen Ergebnisse des toxikologischen Tests zeigten, dass Herr Praljak eine Konzentration von Zyankali im Blut hatte", erklärte die niederländische Staatsanwaltschaft. "Dies führte zu Herzversagen, welches die vermutete Todesursache ist."

Forensiker des renommierten niederländischen Instituts für Gerichtsmedizin in Rijswijk bei Den Haag untersuchten am Freitag den Leichnam Praljaks. Staatsanwältin Marilyn Fikenscher sagte der Nachrichtenagentur AFP am Abend, die Autopsie sei beendet. Nun müsse auf das endgültige Ergebnis gewartet werden. Wie hoch die Menge an Zyankali im Blut war, sagte Fikenscher nicht.

Nach Angaben eines Sprechers der Staatsanwaltschaft waren auf Ersuchen des UN-Tribunals zwei kroatische Experten als "Beobachter" bei der Autopsie dabei. Die niederländischen Behörden hatten Ermittlungen wegen Beihilfe zum Suizid und Verstoßes gegen das Arzneimittelgesetz eingeleitet.

Rätsel um Zugang und Schmuggel von Gift

Der Internationale Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien (ICTY) will als Ergänzung dazu eine unabhängige Untersuchung einleiten. Die Ermittlungen unter der Leitung des Richters Hassan Jallow sollten sich auf interne Vorgänge bei dem Gerichtshof konzentrieren und Empfehlungen für künftige Verfahren ausarbeiten, teilte das UN-Tribunal in Den Haag mit. Die Untersuchung solle in der kommenden Woche beginnen, ihre Ergebnisse sollen bereits vor Jahresende veröffentlicht werden.

Gerätselt wird vor allem, wie Praljak an die Chemikalie kommen konnte, wie er das Giftfläschchen trotz der strengen Sicherheitsauflagen in das Gericht schmuggeln konnte – und wer ihm geholfen haben könnte.

Praljak hatte am Mittwoch zunächst lautstark protestiert, als das UN-Tribunal in Den Haag in dem Berufungsverfahren die 20-jährige Haftstrafe gegen ihn bestätigte. Dann zückte er ein braunes Fläschchen und trank es aus. Wenig später starb er im Krankenhaus.

Letztes Verfahren vor Gericht

Zunächst wurde das Verfahren fortgesetzt, doch dann rief Praljaks Anwalt: "Mein Mandant sagt, er habe Gift genommen." Das Verfahren wurde unterbrochen, der 72-Jährige wurde in Den Haag ins Krankenhaus gebracht, wo er kurze Zeit später starb. Es war das letzte Verfahren vor dem Strafgerichtshof für Ex-Jugoslawien, der zum Jahresende nach fast 25 Jahren seine Tätigkeit einstellt.

Praljak und fünf Mitangeklagte mussten sich in dem Berufungsverfahren wegen Kriegsverbrechen im bosnisch-kroatischen Krieg von 1993-1994 verantworten, der während des Bosnien-Krieges (1992-1995) aufgeflammt war. Praljak hatte sich 2004 gestellt. Die sechs Männer waren 2013 verurteilt worden. Praljak war unter anderem für schuldig befunden worden, im November 1993 die Zerstörung der alten Brücke von Mostar aus osmanischer Zeit angeordnet zu haben. Dadurch sei der muslimischen Zivilbevölkerung "unverhältnismäßig großer Schaden" entstanden, hatten die Richter im ersten Prozess geurteilt.

In Kroatien wird der Ex-Kommandant bis heute als Held verehrt. Das staatliche Fernsehen sendete am Freitag zur besten Sendezeit als Hommage an Slobodan Praljak einen von diesem gedrehten Film aus dem Jahr 1989. Im Film "Die Rückkehr der Katarina Kozul" geht es um eine Witwe aus Herzegowina, die nach Deutschland auswandert. Bevor er zum Militär ging, hatte Praljak beim Film und am Theater gearbeitet. (APA, 1.12.2017)