Fidel Peugeot, Designer des Wiener Labels Walking Chair, wohnt mit seiner Familie in einem thermisch sanierten Gründerzeithaus in Wien. Seit dem Tausch der Fenster mangelt es an Tageslicht. Umso glücklicher macht ihn sein Musikräumchen.

"Ich hatte schon immer eine große Begeisterung für Musik. Seit meinem 15. Lebensjahr spiele ich Gitarre. Mittlerweile spiele ich unterschiedliche Instrumente und komponiere nebenbei – sowohl privat als auch beruflich. Erst unlängst habe ich zusammen mit meinem Partner Karl Emilio Pircher – wir leiten gemeinsam das Designstudio Walking Chair – einen Kinospot für Alvorada gedreht. Ich habe den Song auf meiner korallenroten Lieblingsgitarre gespielt und hier in meinem Studio, in diesem kleinen, zwölf Quadratmeter großen Räumchen aufgenommen. Das klappt ganz wunderbar.

Das Musikstudio ist der mit Abstand am meisten genutzte Raum in der Wohnung. Mal musiziert Peugeot hier privat, mal komponiert er einen Jingle für einen Werbespot.
Foto: Nathan Murrell

Das Studio ist wirklich der mit Abstand am meisten und am intensivsten genutzte Raum in unserer Wohnung. Daher war es mir wichtig, das Porträtfoto hier zu machen. Einerseits verbringe ich hier viel Zeit alleine, andererseits ist das auch ein Raum, in dem ich immer wieder mit Freunden oder mit meinen beiden Kindern musiziere. Die einzige Unmusikalische und Tapfere in der Familie ist meine Frau Christine. Sie duldet unseren Wahnsinn, was trotz doppelt gedämmter Schallschutztür ein ziemliches Liebesbekenntnis ist. Wenn ich – was immer wieder vorkommt – bis in die Nacht durcharbeiten muss, dann ist das echt Hardcore.

Am liebsten spiele ich hier Jazz, Blues und afrikanische Musik. Meine Lieblingsmusiker sind Bob Dylan, Robert Johnson, Ernst Molden, Pascal Comelade und Django Reinhardt. Ich habe 13 unterschiedliche Gitarren, darunter Schlag- und Akustikgitarren, ein Klavier, ein Keyboard und viele, viele, unzählig viele Schlaginstrumente wie etwa Rasseln, Schlagbox, Kastagnetten und so weiter. Ganz abgesehen davon, dass sich jeder einigermaßen gut klingende Stuhl oder Hocker ebenso gut zum Musizieren eignet.

Das vielleicht skurrilste Instrument ist eine Gitarre mit einem Olivenöl-Kanister als Schallkörper, die ein Wiener Gitarrenbauer für mich gebaut hat. Ich finde sie sehr originell, und sie klingt eigentlich auch gut, aber so richtig will sich keine Wärme zwischen ihr und mir einstellen. Das Instrument ist kalt, und das Griffbrett liegt einfach nicht satt und bequem in der Hand. Ein Instrument muss einfach passen. Und wenn es nicht passt, dann nützt auch der schönste Sound nichts.

Im Zuge einer Sanierung wurde die Küche um acht Quadratmeter erweitert. Hier befindet sich nun der neue Essplatz für die Familie.
Fotos: Nathan Murrell

So ähnlich ist es für mich auch mit dem Wohnen. Die Wohnung muss einfach passen und satt in der Hand und im Herzen liegen. Und wenn sie das nicht tut, dann nützt auch hier das schönste Möbelstück nicht viel, denn es geht um weit mehr. Wir sind mit der Wohnung sehr zufrieden, denn sie entspricht unserem Naturell und ist so etwas wie eine über viele, viele Jahre gewachsene Schönheit mit diversen Gebrauchs- und Abnutzungsspuren. Für einige davon ist unser Pudel Yankee verantwortlich.

Wir sind hier im Herzen vom dritten Bezirk, nicht weit von der Rotundenbrücke, über die ich in kürzester Zeit in den Prater gelange, und auch nicht weit vom Hundertwasserhaus entfernt. Folglich ist das auch eine Gegend mit vielen Touristen, die einem ständig über den Weg laufen. Das hat etwas zutiefst Urbanes, etwas Internationales – auch dann, wenn der Einkauf beim Bäcker etwas länger dauert, weil vor einem 20 Chinesen und Japaner stehen. Ich mag diese Störmomente und erfreue mich auf diese Weise am Weltstadt-Flair.

Die Wohnung hat 150 Quadratmeter. Wir sind 1999 eingezogen, damals war das ein ganz normales, leicht abgefucktes Gründerzeithaus mit einer denkmalgeschützten Fassade. Vor zwei Jahren wurde das Haus vom Vermieter generalsaniert und zu einem Passivhaus umgebaut. Einerseits ist das echt sensationell, weil wir jetzt effektiv deutlich geringere Energiekosten haben. Außerdem haben wir jetzt eine Küche, die um acht Quadratmeter und somit um einen neuen Essplatz erweitert wurde, und einen wunderschönen Balkon, den man exotischerweise über das Badezimmer betritt. Hat auch nicht jeder!

Szenen eines Alltags: Der Lampion ist ein Hinweis auf die Herkunft von Fidel Peugeot, das Sammelsurium aus Goldgeweih und Busen jener auf seine Kreativität.
Foto: Nathan Murrell

Andererseits aber war der damit verbundene architektonische Eingriff in die Bausubstanz im ersten Moment ein Schock. Früher hatten wir überall schöne Kastenfenster aus Holz. Die Holzrahmen waren dünn, die Glasflächen entsprechend groß. Heute haben wir dicke Thermofenster mit Dreifach-Sonnenschutzverglasung. 70 Prozent des Tageslichts sind weg. Als ich nach dem Tausch der Fenster das erste Mal ins Wohnzimmer reingekommen bin, war ich am Boden zerstört. Der Unterschied ist eklatant! Die positiven Begleiterscheinungen sind dafür so schön, dass sie mich und meine Familie über diesen baukulturellen Wahnsinn hinwegtrösten.

Was die Möbel betrifft: Es ist ein wildes Sammelsurium unterschiedlicher Möbel und Möbelstile, wobei der Einfluss durch mich beziehungsweise Walking Chair nicht zu übersehen ist. In der ganzen Wohnung finden sich Prototypen und Fehlproduktionen, die hier nun ein neues Zuhause gefunden haben. Die meisten Walking-Chair-Sachen gefallen meiner Familie recht gut, doch bei manchen rümpft meine Frau Christine die Nase. Sie sagt, das sei manchmal ganz schön anstrengend, mich als Mann zu haben. Ab und zu würde sie sich gerne mal ein Ikea-Teil in die Wohnung reinstellen. Aber ich kann diese schwedischen Billigmöbel einfach nicht ausstehen. Es muss ein anderer Weg in die Zukunft führen.

Ganz allgemein ist Wohnen für mich in erster Linie eine Schutzhülle. Mit dem Beginn von Architektur konnte der Mensch Afrika verlassen und sich auch in den europäischen Nebelländern niederlassen. Mit der Zeit wurde das Wohnen immer feiner und feiner. Aufgewachsen bin ich im Zentrum von Basel in einer Großfamilie, in einer Riesensippe mit 15 Familienmitgliedern unter einem Dach. Heute leben wir zu viert plus Pudel in einer schicken Schutzhülle namens Gründerzeithaus. Das ist schon die Spitze einer ziemlichen Evolutionspyramide.

Foto: Nathan Murrell

Mein absoluter Wohntraum ist ein sonnen- und wassernahes Riesenloft mit Blick nach Osten, Süden, Westen und enorm viel Platz für Familie und Musik. Mit riesigen Fenstern, mit nackten Betonwänden und mit ein bisschen Wind, der durch die Räume fegt. Das mag zwar eine Utopie sein. Aber das ist nun mal der Traum, der mich antreibt." (19.12.2017)