Tokio – Es hat fast schon symbolischen Charakter: Pflanzen, die der menschlichen Zivilisation überhaupt erst zu ihrem Aufstieg verholfen haben, sind nun durch deren Folgeerscheinungen in Gefahr. Die wilden Verwandten gängiger Nutzpflanzen wie Reis oder Weizen sind nämlich durch exzessive Landwirtschaft und die zunehmende Urbanisierung bedroht.

Das gefährde auch die Ernährungssicherheit, wie die Weltnaturschutzunion (IUCN) bei der Vorstellung ihrer aktualisierten Roten Liste in Tokio mitteilte. Um Feldfrüchte zu entwickeln, die mit dem Klimawandel klarkommen, "müssen wir die wilden Verwandten dieser Feldfrüchte bewahren", mahnte Jane Smart, Direktorin für Biodiversität der IUCN, an. Denn die wilden Verwandten enthalten die genetische Vielfalt, die für die Zucht von widerstandsfähigerem Saatgut wichtig sein dürfte.

Schrumpfende Lebensräume

Erstmals untersuchte die IUCN 25 Arten von wildem Reis. Drei davon sind bedroht, hieß es. Von den 26 erfassten Arten an wildem Weizen sind zwei bedroht, von 44 Arten wildem Yams 17. Diesen wilden Verwandten unserer Nutzpflanzen mangelt es inzwischen an Platz zum Überleben. Vielerorts werden ihre natürlichen Lebensräume durch Bebauung oder durch zu intensive Beweidung zerstört, wie die IUCN mitteilte. Hinzu kommt der übermäßige Einsatz von Düngemitteln und Pestiziden in der Landwirtschaft.

"Gesunde, artenreiche Ökosysteme sind elementar für unsere Fähigkeit, die wachsende Weltbevölkerung zu ernähren" und den Hunger in der Welt zu besiegen, sagte IUCN-Generaldirektorin Inger Andersen. Es gehe um "unsere Zukunft".

Experten haben für die Rote Liste rund 91.500 Arten unter die Lupe genommen. Das ist ein Bruchteil der geschätzten zehn Millionen Tier- und Pflanzenarten auf dem Planeten. Von den untersuchten Arten sind nach Erkenntnis der Experten gut 25.000 bedroht. Die Zahl in der Kategorie "vom Aussterben bedroht" beläuft sich auf 5.583. Die Zahl der gänzlich ausgestorbenen Arten gab die IUCN mit 866 an.

Vergleichbarer Trend in der Tierwelt

Exzessive Landwirtschaft und Fischerei, Entwaldung und die zunehmende Urbanisierung bedrohen auch immer mehr Tierarten. So ist die Zahl der vor allem in südostasiatischen Küstenregionen lebenden Irawadidelfine (Orcaella brevirostris) und die der Glattschweinswale (Neophocaena asiaeorientalis) so drastisch zurückgegangen, dass beide Arten inzwischen als stark gefährdet gelten. Bei Ersteren haben sich laut der Weltnaturschutzunion die Bestände in den vergangenen 60 Jahren mehr als halbiert.

Eine Unterart des Gewöhnlichen Ringbeutlers (Pseudocheirus peregrinus occidentalis) stehe wegen des zunehmenden heißen Klimas in Australien inzwischen sogar kurz vor dem Aussterben. Für drei auf Australiens Weihnachtsinsel gefundene Reptilienarten gibt es gar keine Hoffnung mehr. Sie gelten in freier Natur nun als ausgestorben.

Lichtblick auf der aktualisierten Roten Liste sind zwei Kiwi-Arten in Neuseeland, von denen es je nach Zählung drei oder fünf gibt. Die beiden betreffenden Spezies sind nun nicht mehr stark gefährdet, nachdem energisch gegen Ratten und Wiesel vorgegangen worden war und zudem Eier der Vögel geschützt wurden. (APA, red, 5. 12. 2017)