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Mário Centeno (50) wird ab Mitte Jänner der Chef der Eurogruppe.

Foto: Reuters/ YVES HERMAN

Brüssel – Ehrlicher Respekt vor einer sehr großen neuen Aufgabe war Mário Centeno anzumerken, als er am Montag zur Sitzung der neunzehn Finanzminister der Eurogruppe in Brüssel eintraf. Dieser gehört der gerade noch 50-jährige Portugiese zwar schon seit zwei Jahren als höchster Vertreter seines Landes an. Aber Centeno, der ein Doktorat in Volkswirtschaft an der US-Eliteuniversität Harvard absolviert und dazu zu Hause auch noch ein Studium in Mathematik abgeschlossen hat, ist alles andere als ein routinierter, abgeklärter Politiker.

Das Amt des Finanzministers in Lissabon war ihm von Premierminister Antonio Costa nach dem überraschend klaren Wahlsieg der Sozialisten und dem Machtwechsel im November 2015 angeboten worden. Aber da war er auch erst relativ kurz Abgeordneter im Parlament. Centeno ist ein Quereinsteiger. Vor seinem Wechsel in die Politik hatte der seit seiner Gymnasialzeit in allen Bildungsetappen Hochbegabte mehr als ein Jahrzehnt in der portugiesischen Zentralbank gearbeitet, zuletzt als Vizedirektor einer Grundsatzabteilung.

Mit Geld und Währungspolitik kennt er sich also bestens aus. Aber dass er Ende 2017 als einer von vier Kandidaten und sogar als Favorit für die Nachfolge des Niederländers Jeroen Dijsselbloem als Chef der Eurogruppe in die EU-Hauptstadt fliegen würde, das konnte sich der Vater von drei Kindern nicht vorstellen. Und dennoch wurde er überzeugend gewählt.

Passende politische Umstände

Wie so oft bei der Wahl von EU-Spitzenämtern haben die politischen Umstände für ihn perfekt gepasst. Weil die Konservativen derzeit besonders viele Spitzenämter in EU-Institutionen innehaben, war klar, dass die Sozialdemokraten den Job "bekommen" würden, so wie schon vor fünf Jahren, als Dijsselbloem gekürt wurde. Bedenken, dass ausgerechnet ein Portugiese, dessen Land von den Europartnern 2011 nur mit Milliardenhilfskrediten vor der Pleite gerettet wurde, nun für Einheit und Stabilität der Eurogruppe sorgen soll, wurden rasch ausgeräumt. Portugal hat die Hilfsprogramme und Reformaufgaben musterhaft erfüllt, Gelder sogar vorzeitig zurückgezahlt.

Um an die Spitze zu gelangen, braucht man in der Politik auch Glück. Centeno, dem begeisterten Fan von Benfica Lissabon, wurde es zuteil. Der Wirtschaftsaufschwung in Portugal hilft ihm, soziale Politik mit disziplinierter Stabilitätspolitik zu verbinden. Beides brauchen die Eurostaaten, Centeno spielt den Verbinder. (Thomas Mayer, 5.12.2017)