Der Status Jerusalems ist international höchst umstritten.

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Die Erwartung der Trump-Regierung ist wohl, dass die Aufregung von kurzer Dauer sein wird: Trotz der Empörung über die Anerkennung Jerusalems als israelischer Hauptstadt durch die USA werden die arabischen und muslimischen Staaten politisch, das heißt in ihren Beziehungen zu den USA, bald wieder zur Tagesordnung zurückkehren. Verglichen mit den aktuellen Problemen, die diese Staaten haben, ist ein politischer Akt, der am Boden erst einmal wenig bis keine Auswirkungen haben wird – Jerusalem wird von Israel selbst ja bereits als komplett zu Israel gehörig behandelt –, nicht so bedeutend. Insofern wäre der Zeitpunkt, inmitten der größten Instabilität des Nahen Ostens, taktisch der richtige.

Wenn man die Politik von US-Präsident Donald Trump kennt, glaubt man aber eher nicht an Kalkül: Er wollte wohl ganz einfach nicht zum zweiten Mal in seiner Präsidentschaft den "waiver" unterzeichnen – den Aufschub der Verlegung der US-Botschaft, die ja theoretisch schon 1995 vom US-Kongress beschlossen wurde. Seit damals haben das Bill Clinton, George W. Bush, Barack Obama und zuletzt Trump selbst getan. Denn völkerrechtlich ist die israelische Annexion des Ostteils Jerusalems nicht anerkannt, weswegen die Botschaften bisher in Tel Aviv bleiben. Das würde sich mit einer israelisch-palästinensischen Friedenslösung ändern.

Ein Thema für die Straße

Auf alle Fälle ist die Jerusalem-Frage vor allem emotional, also ganz stark ein Thema für die Straße und nicht nur für die Staatskanzleien: Was an Reaktionen aus den Bevölkerungen kommen wird, kann heute niemand mit Gewissheit sagen. Hier könnte aber genau das Gegenteil von dem gelten, was für die Regierungen gilt: Nicht Pragmatismus und Desinteresse könnten überwiegen, sondern die Gelegenheit, den Frust und die Wut auf einen bekannten Feind auszuleben.

Und natürlich werden die radikalen Kräfte in der Region versuchen, das Thema als Mobilisierungsmittel zu verwenden. So gesehen kann man den Schritt Trumps durchaus aus Segen für IS, Al-Kaida und Co betrachten.

Und natürlich für den Iran und seine Stellvertreter: Teheran hat ja das Palästinenserthema längst von den Arabern gekapert. Auch da mag es in der iranischen Regierung die Hoffnung geben, dass nun nicht alles an Normalisierung, was in den Jahren unter US-Präsident Obama erreicht wurde, den Bach heruntergeht – namentlich der Atomdeal. Aber den Argumenten der Hardliner wird zumindest öffentlich kein Politiker in der islamisch geprägten Welt zu widersprechen wagen.

Schlag für die Saudis

Am härtesten könnte es die neuen alten besten Freunde der USA treffen, die Saudis, namentlich den ehrgeizigen Kronprinzen Mohammed bin Salman. Es ist nicht unlogisch, was sich die Trump-Leute wohl denken: dass ihn das Thema Palästinenser nicht und das Thema Jerusalem nur marginal interessiert.

Aber Jerusalem ist eben das einzig wirklich harte Thema, das den Konflikt von einem israelisch-palästinensischen zu einem israelisch-arabischen macht. Auch wenn es in der neuen PR-Linie Saudi-Arabiens keine Rolle mehr spielt: Die Legitimität des saudischen Königshauses nach außen wurde immer auch stark religiös argumentiert – die Hüter der heiligen Stätten. Jerusalem ist die drittheiligste Stätte. Ob nun Mohammed bin Salman schon so gefestigt in seiner Macht ist, dass er trotz allem seine Politik der Öffnung gegenüber Israel – gegen den Iran – weiterverfolgen kann, wird man sehen. (Gudrun Harrer, 6.12.2017)