Wien/Klosterneuburg – Peter Donnellys "Lieblingsgen ist für zwei der bei Lebewesen wichtigsten Prozesse entscheidend: wie aus einer Generation die nächste entsteht, und die Bildung neuer Arten". Bei beiden seien aber noch mehr "Mysterien" zu lösen als man darüber weiß, sagt der auf die Analyse genetischer Daten spezialisierte Mathematiker von der Uni Oxford. Am Donnerstag hält er einen Vortrag am IST Austria.

Das Gen, von dem er spricht, trägt die Bezeichnung PRDM9. Wie er mit Kollegen herausfand, bringt es die übereinstimmenden Chromosomen bei der Reduktions-Zellteilung (Meiose) zusammen, wo Samen- und Eizellen als Keime für eine neue Generation entstehen. Außerdem trennt es nahe verwandte Linien von Säugetieren in unterschiedliche Arten auf. Das Gen und seine Funktion bei Meiose und Artenbildung stehen im Mittelpunkt seines Vortrags am Institute of Science and Technology (IST) Austria in Klosterneuburg (NÖ).

Hintergrund

Bei der Meiose ist PRDM9 essenziell, dass die zwei Erbgutsätze, die jeder Mensch und andere Säugetiere tragen, sauber getrennt werden. Denn in Ei- und Samenzellen ist jeweils nur eine Kopie vorhanden, sonst wäre nach der Verschmelzung der beiden zu viel Erbinformation in den Zellen. "Wir zeichnen in den Lehrbüchern und bei Vorträgen wunderschöne Bilder von Chromosomen, die paarweise angeordnet sind, haben aber kaum eine Ahnung, wie es dazu kommt", so Donnelly. Das Erbgut läge in den Zellen großteils als "Kuddelmuddel" vor, daher sei es für ihn faszinierend, dass einander die beiden homologen Chromosomen finden.

Man habe herausgefunden, dass die Zellen dafür etwas zunächst widersinnig Scheinendes tun: Sie verursachen Schäden an ihrem eigenen Erbgut, indem sie es an verschiedenen Stellen komplett durchschneiden (Doppelstrangbrüche). Dann wird es aufgetrennt, sodass einzelne DNA-Fäden (Einzelstränge) vorliegen. Diese suchen sich irgendwie ihre Entsprechung auf dem oft Hunderte Millionen Basenpaare langen, homologen Chromosom. Die Läsionen werden daraufhin nach Vorlage des intakten Chromosoms repariert. Einerseits werden so Teile des Erbguts neu gemischt, andererseits hängen die homologen Chromosomen dabei eine Zeit lang zusammen, was für die Meiose essenziell ist.

Für das Chromosomen-Aufschneiden ist Donnellys Lieblingsgen PRDM9 vonnöten. Damit einander die homologen Stellen finden, ist es wahrscheinlich hilfreich, dass es sich dabei auf kurze Regionen ("Hot Spots") beschränkt, die sich durch bestimmte Codes auszeichnen. Diese Codes sind auch für die Artenbildung wichtig, wie sich zeigte.

Gene, die neue Arten entstehen lassen

"Seit Darwin vor 150 Jahren die 'Entstehung der Arten" veröffentlichte, rätseln Biologen, welche genetische Grundlage dahinterstecken, dass sich zwei neu aufgetrennte Arten nicht mehr vermischen können", sagte der aus Australien stammende Professor für Statistische Wissenschaften. Mittlerweile habe man bei Pflanzen und Pilzen etwa 20 "Artbildungs-Gene" entdeckt, bei Säugetieren gäbe es aber bisher nur eines. Nämlich seinen Liebling PRDM9, dessen Rolle man bei Mäuse-Linien erforscht hat, deren Nachkommen untereinander keine Kinder mehr bekommen können.

Skurrilerweise funktioniert dies wieder, wenn jener Teil des Mäuse-PRDM9-Produkts, der mit dem Erbgut interagiert und die Code-Stelle wählt (Zink-Finger-Domäne), bei nur einem Mäuseelternteil mit dem Pendant aus Menschen ersetzt wird. Diese Erkenntnis stürzte die gängige These, dass die Artenbildung nach dem Schlüssel-Schloss-Prinzip funktioniert, erklärte er. Nämlich, dass es zwei verschiedene Faktoren gibt, die in einer Art perfekt zusammenpassen, und wenn sich entweder Schloss oder Schlüssel durch Zufallsmutationen bei einer Linie leicht ändern, eine Art entstanden ist, die von der anderen für immer getrennt ist. Denn es wäre "völlig unplausibel", dass der Schlüssel des menschlichen PRDM9 nach 150 Millionen Jahren getrennter Evolution in irgendein Mäuseschloss passt, meint Donnelly.

Ein Puzzlestück fehlt noch

Es funktioniert also auf andere Weise: Die beiden Mäuse-Linien haben leicht verschiedene PRDM9-Versionen, die an unterschiedlichen Stellen (Hot Spots) Doppelstrangbrüche hervorrufen, und zwar bei den sterilen Kindern jeweils so, dass das väterliche PRDM9 das mütterliche Chromosom zerstückelt und umgekehrt. Somit funktioniert die Reparatur durch homologe Rekombination nicht mehr. Das menschliche PRDM9 schert sich bei den Mäusechromosomen allerdings nichts bezüglich ihrer Herkunft, und lässt jene von Vater und Mutter an den gleichen Stellen brechen. Somit steht einer perfekten Paarung und Ausbesserung nichts im Wege.

Ein Puzzlestein fehlt in der Geschichte aber noch, so Donnelly. Weil die Zink-Finger von PRDM9 sehr mutieren, kann es nur für evolutionär recht kurze Zeit eine saubere Artentrennung gewährleisten. Es müsse also noch einen weiteren Mechanismus geben, der langfristig vollendete Tatsachen schafft. (APA, 6. 12. 2017)