Unterzeichnerinnen des Offenen Briefes des Frauenvolksbegehrens: Christine Nöstlinger, Sarah Wiender und Ursula Strauss.

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Die Forderungen des Frauenvolksbegehrens reichen von Armutsbekämpfung bis zum staatlich finanzierten Schwangerschaftsabbruch.

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Wien – Das Frauenvolksbegehren richtet gemeinsam mit dem Österreichischen Frauenring, der Allianz Gewaltfrei leben und der Initiative #aufstehn einen offenen Brief an die zukünftige Regierung und die neuen Nationalratsabgeordneten. Unterschrieben haben ihn auch viele Prominente wie Christine Nöstlinger, Ursula Strauss, Mavie Hörbiger, Sarah Wiener, Eva Rossmann und Doris Knecht.

"Wir freuen uns, dass der Brief so großen Niederschlag gefunden hat und von vielen prominenten Menschen und Organisationen getragen wird. Das zeigt uns, dass Frauen* ihren Platz an den Entscheidungstischen haben wollen", sagt Schifteh Hashemi, Sprecherin des Frauenvolksbegehrens.

Seit Österreich einen neuen Nationalrat gewählt hat, würden vor allem Frauen einen Backlash und den Verlust bereits erkämpfter Rechte befürchten, heißt es in einer Aussendung des Frauenvolksbegehrens. "Die politischen Anliegen der Frauen fanden weder im Wahlkampf Platz, noch scheinen sie Thema in den Regierungsverhandlungen zu sein." Daher sei es nötig, dass im Parlament zur Hälfte Frauen vertreten sind, um auch die Hälfte der Bevölkerung repräsentieren zu können.

Der Brief im Wortlaut:

"An die zukünftige Regierung! An alle Frauen und Männer des Nationalrats!

'Heimat großer Töchter und Söhne ...', so steht es in der Bundeshymne. Wir Frauen wenden uns an all jene, die in den nächsten Jahren über unsere Zukunft entscheiden. Knapp 100 Jahre nach Einführung des Frauenwahlrechts gehört den Frauen wieder nur jeder dritte Sitzplatz im Nationalrat. Das ist nicht genug. Wir Frauen sind mehr als die Hälfte der Bevölkerung. Wir fordern dementsprechend Mitsprache. Der Hälfte der Bevölkerung steht die Hälfte der Macht und die Hälfte des Geldes zu.

Die Hälfte des Geldes

Wir Frauen arbeiten als Kassiererinnen, Sekretärinnen, Krankenschwestern, Lehrerinnen, manchmal auch als Elektrikerin oder Managerin. Zusätzlich kümmern wir uns um den Großteil der unbezahlten Arbeit. Wir erziehen Kinder, pflegen Eltern, putzen, kochen. Wir brauchen eine Neubewertung von Arbeit, bezahlte und unbezahlte Arbeit muss gerecht verteilt werden. Keine Alleinerziehende sollte fürchten müssen, morgen kein Essen kaufen zu können, keine Pensionistin Angst davor haben, ihr Dach über dem Kopf zu verlieren. Wir nehmen es nicht länger hin, schlecht bezahlt und mit weniger Aufstiegschancen abgespeist zu werden. Österreich, das viertreichste Land in der EU, hat einen der größten Vermögens- und Lohnunterschiede. Das muss sich ändern!

Die Hälfte der Macht

Wir Frauen wollen selbst für uns sprechen und von Frauen in der Politik vertreten werden. Denn Frauen wissen, wie es ist, in Rollen gedrängt und aufgrund des Geschlechts, der Herkunft, des Aussehens, der sexuellen Orientierung diskriminiert zu werden. Belästigungen und Übergriffe erleben viele von uns. Es darf nicht sein, dass jeden Monat zwei Frauen in Österreich an den Folgen von häuslicher Gewalt sterben. Wir wollen Abgeordnete, die unsere Lebensrealitäten kennen. Nur dann werden Politik und Gesetzgebung uns Frauen berücksichtigen.

Wir fordern ein Frauenministerium mit einem Budget, das die Umsetzung unserer Anliegen ermöglicht. Gewalt, Sexismus, Frauenarmut, Lohnschere und die gläserne Decke gehören auf die tägliche politische Agenda. Wir fordern Mitsprache. Unsere Interessenvertretungen müssen bei der politischen Entscheidungsfindung eingebunden werden und gehören gesetzlich verankert. Wir fordern die künftige Regierung zu Gesprächen über unsere Anliegen auf, bevor das zukünftige Regierungsprogramm verabschiedet ist. Für echte Wahlfreiheit. Für echte Chancengleichheit. Für echte Selbstbestimmung. Für uns Frauen." (red, 6.12.2017)