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Auf EU-Ebene wird derzeit überlegt, wie eine Neuauflage der Vorratsdatenspeicherung aussehen könnte

Foto: AP/Kienzle

Freiheit oder vermeintlich mehr Sicherheit: Keine andere Maßnahme stellt diesen Konflikt so gut dar wie die Vorratsdatenspeicherung. Während Justiz- und Innenminister europaweit fast einhellig für eine Sammlung von Telekommunikationsdaten plädieren, setzten zahlreiche nationale Höchstgerichte sowie der Europäische Gerichtshof solchen Regelungen enge Grenzen.

In Österreich wurde ist die Vorratsdatenspeicherung seit einem Urteil des Verfassungsgerichtshofs Geschichte, Deutschland führte trotz eines ähnlichen Urteils eine Version mit kürzeren Speicherfristen ein. Dort werden etwa Standortdaten der Teilnehmer von Telefonaten und mobiler Internetnutzer für vier Wochen; IP-Adressen, andere Daten zu Telefonaten und SMS für zehn Wochen gespeichert.

Im Einklang mit EU-Datenschutzverordnung

Jetzt überlegen Justiz- und Innenminister einerseits, ob ein neuer EU-weiter Rahmen für Vorratsdaten geschaffen werden kann; andererseits stellt sich die Frage, wie derartige Regelungen mit der ab Mai gültigen EU-Datenschutzgrundverordnung in Einklang zu bringen sind. Am Donnerstag treffen sich die nationalen Minister in Brüssel, um darüber zu diskutieren – auch wenn die Vorratsdatenspeicherung auf der offiziellen Tagesordnung fehlt.

Der STANDARD konnte nicht-öffentliche Dokumente einsehen, die zur Vorbereitung auf das EU-Ratstreffen erstellt wurden. Zwei Arbeitsgruppen sollten die Grundlagen für ein weiteres Vorgehen der Minister klären. Recht klar ist schon jetzt, dass EU-weite Datenschutzregelungen laut Arbeitspapier "nicht verhindern" sollen, dass die Vorratsdatenspeicherung zumindest auf nationaler Ebene eingesetzt werden kann. Um mit der EU-Grundrechtecharta konform zu sein, sollten etwaige Regelungen "auf der Grundlage einer strengen Prüfung der Erforderlichkeit und der Verhältnismäßigkeit" erfolgen.

"Gezielte Vorratsdatenspeicherung"

Konkrete Ideen dafür werden im Arbeitspapier kaum genannt. Ein vorgeschlagener Grundsatz ist, dass "keine weniger eingreifende Maßnahme zur Verfügung stehen darf", Ermittler also zwingend Vorratsdaten benötigen, anstatt diese Informationen etwa durch Observation zu erlangen. Außerdem ist die Rede von einer "gezielten Vorratsdatenspeicherung", die nur bestimmte geografische Gebiete oder einen "Personenkreis, der in irgendeiner Weise in eine schwere Straftat verwickelt sein könnte", umfasst. Dabei wird jedoch nicht erläutert, wie groß dieser Personenkreis sein kann – Ermittler können ja schon jetzt den Datenverkehr von einigen wenigen Verdächtigen überwachen.

Die Arbeitsgruppe schlägt etwa vor, einen "Abzug" bei Datenkategorien vorzunehmen, sodass nur jene Metadaten (etwa Standort, Rufnummer) gespeichert werden, die für die Strafverfolgung notwendig sind. Außerdem könnten Speicheranordnung flexibel gestaltet sein, je nach "Einschätzung der Bedrohungslage".

Frage des Zugriffs

Neben der prinzipiellen Speicherung von Daten spielt auch die Frage des Zugriffes auf diese eine gewichtige Rolle. Die Arbeitsgruppe schlägt hier vor, dass "nur bestimmte Kategorien von Straftaten" einen Zugriff auf Vorratsdaten ermöglichen. Im Jahr 2013 griffen Ermittler in Österreich etwa wegen "Diebstahl", "Raub" oder "Betrugsdelinquenz" auf Vorratsdaten zu. Im Arbeitspapier ist nun von "schweren Straftaten wie organisierte Kriminalität, Terrorismus oder Kindesmisshandlung" die Rede. Aber auch "durch den Cyberspace ermöglichte Straftaten" sollen einen Zugriff auf Vorratsdaten bringen.

Die Arbeitsgruppe empfiehlt auch, den Zugriff vorab "durch ein Gericht oder eine unabhängige Verwaltungsbehörde" prüfen zu lassen. Ausnahmen für bestimmte Personenkreise – etwa Psychiater, Anwälte, Journalisten – können erwogen werden, doch "es erscheint unrealistisch", dass diese Ausnahmen eingehalten werden können.

Kein Kommentar

Das Arbeitspapier macht deutlich, in welche Richtung sich eine europaweite Regelung zur Vorratsdatenspeicherung bewegen könnte. Nun sollen die nationalen Innen- und Justizminister ihre Meinung dazu abgeben. Sowohl Innenminister Wolfgang Sobotka als auch Justizminister Wolfgang Brandstetter (beide ÖVP) hatten sich in der Vergangenheit mehrfach für eine Vorratsdatenspeicherung in Österreich ausgesprochen. Der bisherige Koalitionspartner SPÖ hatte sich jedoch gegen eine solche Regelung positioniert.

Auch die FPÖ, der wohl künftige Regierungspartner, stand einer Vorratsdatenspeicherung in der Vergangenheit ablehnend gegenüber. Der freiheitliche Abgeordnete Gerhard Deimek sah die damalige Innenministerin Johanna Mikl-Leitner etwa "auf den Spuren der NSA", als diese für eine Neueinführung der Überwachungsmethode plädierte. "Grundrechte sind nicht verhandelbar", so Deimek damals. Die aktuellen Koalitionsverhandlungen wollten weder Sobotka noch FPÖ-Mandatar Wolfgang Rosenkranz, für den Cluster Sicherheitzuständig, kommentieren. (Fabian Schmid, 8.12.2017)