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SPD-Vizechef Ralf Stegner hält seine Partei für "quicklebendig".

Foto: REUTERS/Axel Schmidt

STANDARD: Freuen Sie sich auf den SPD-Parteitag, der heute beginnt?

Stegner: Man freut sich immer auf einen Parteitag, das ist ein großes Familientreffen. Aber die Umstände waren natürlich schon leichter. Wir müssen die bittere Wahlschlappe verarbeiten. Aber wir sehen auch: Ohne Sozialdemokraten läuft nichts in Deutschland.

STANDARD: Wollen Sie mit diesem Motto den vielen GroKo-Verweigerern die Sondierungen mit der Union schmackhaft machen?

Stegner: Schon Willy Brandt hat gesagt: "erst das Land, dann die Partei". Das gilt in der SPD unverändert. Deshalb wollen wir ergebnisoffen in Gespräche gehen.

STANDARD: Die Jusos sehen das nicht so. Sie wollen eine neue große Koalition unbedingt verhindern.

Stegner: Auch ich sehe die große Koalition sehr skeptisch. Ein "Weiter-so" kann es definitiv nicht geben. Union und SPD haben 14 Prozentpunkte verloren, zudem wäre bei einer großen Koalition die AfD Oppositionsführerin.

STANDARD: Am Wahlabend legte sich die SPD um 18.05 Uhr auf Opposition fest. War das vorschnell?

Stegner: Das war vollständig richtig und übrigens einstimmig. Niemand war der Meinung, man sollte es nicht tun. Aber jetzt hat sich die Lage geändert. Uns ist ein Fehler unterlaufen, der uns selten passiert: Wir haben die Konkurrenzparteien überschätzt. Union, FDP und Grüne haben bei der Jamaika-Sondierung nichts zustande gebracht, Angela Merkel hat schmählich versagt. Außer Winken vom Balkon war wochenlang nichts. Dennoch: Auch jetzt gibt es keinen Automatismus für eine große Koalition oder sonst etwas.

STANDARD: Schon 2013 war die Begeisterung bei den Verhandlungen über eine große Koalition überschaubar. Wie soll das nun etwas werden, wenn die SPD so offensichtlich damit Probleme hat?

Stegner: Nicht die SPD will etwas von der Union, sondern umgekehrt. Wir sollten auch nicht so viel jammern, unsere Urgroßmütter und -väter hatten ganz andere Probleme für die SPD zu lösen. Es gibt keinen Grund für Larmoyanz.

STANDARD: Das heißt, wenn es zu Sondierungen kommt, muss Parteichef Martin Schulz dann auch das Kreuz breitmachen und besser gelaunt in die Gespräche gehen?

Stegner: Ich gehöre ganz gewiss nicht zu jenen Leuten, die öffentliche Appelle an den Parteivorsitzenden richten. Ich halte auch nichts von der Aufteilung: Wenn was gut läuft, sind es alle, wenn was schief läuft, war’s der Chef.

STANDARD: Was muss passieren, dass Sie vom Parteitag zufrieden nach Hause fahren?

Stegner: Ein guter Parteitag ist es, wenn die Öffentlichkeit sieht, dass die SPD leidenschaftlich ringt um den richtigen Kurs, ihre Grundwerte beim Umgang miteinander nicht vergisst und inhaltlich nach vorn denkt. Und dass sie zeigt, wir sind eine Partei, die eine schwierige Lage für das Land und für uns selbstbewusst angeht.

STANDARD: Hat sie die Kraft?

Stegner: Die SPD ist schon oft totgesagt worden. Es ist klar: Sie muss sich erneuern, egal in welcher Konstellation. Aber sie ist quicklebendig und die einzige Partei Deutschlands, die leidenschaftlich für Europa und globale Gerechtigkeit kämpft, darüber hinaus in den Alltagsfragen, die die Menschen bewegen, praxistaugliche und gerechte Antworten gibt. Bei uns sind in diesem Jahr 30.000 Menschen eingetreten. Die wollen die Welt besser machen. Wir stehen auch nicht gerade einer strahlenden Konkurrenz gegenüber.

STANDARD: Wen meinen Sie?

Stegner: Die CDU will nur, dass Merkel Kanzlerin bleibt, die CSU benimmt sich wie ein sizilianischer Familienclan. Bei der FDP herrscht nach dem Rausch nun der Kater. Und die Grünen haben ihre Inhalte bis zur Unkenntlichkeit verbogen bei der Sondierung.

STANDARD: Wenn der Parteitag Sondierungen empfiehlt, wie lange kann sich die SPD Zeit lassen?

Stegner: Wir haben eine stabile geschäftsführende Regierung. Es ist kein Müll auf den Straßen, das Licht ist an, es gibt keine Unruhen, die Menschen kaufen für Weihnachten. Wir können und müssen uns Zeit nehmen. Ob Minderheitenregierung, Koalition oder wechselnde Mehrheit, mit uns wird es professioneller als bei Jamaika – mit weniger Balkonfotos. (Birgit Baumann aus Berlin, 7.12.0217)