Marseille – Und es stürzten vorbei die Karstfelsen, die abgeernteten Lavendelfelder, die milchig beigen Häuser mit den graublauen Fensterläden, es stob auf das dürre Steineichenlaub, und als es wieder herabsank, war der Blitzblaue schon meilenweit entflohen, sein Bellen und Knurren und rotzfreches Knallen als ferner Widerhall der Fanfaren für die Auferstehung einer Legende.

Er war Monsieur Alpine: Jean Rédélé (1922–2007), selbst Rennfahrer und Alpine-Gründer, hier 1971 im Werk in Dieppe.
Foto: Renault

Sie beschreibt einen munteren Abschnitt Automobilgeschichte, der 1955 mit der Adaptierung eines Renault 4CV durch den talentierten Monsieur Rédélé begann und 1994 endete. Dazwischen lagen Rallye- und Rundstrecken-Triumphe, der Ausbau der Firma Alpine, sieben Modellreihen und die Übernahme durch den Renault-Konzern.

1955 wurde die Société des Automobiles Alpine gegründet. Nun ist die Zeit reif für eine Neuinterpretation.
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Und jetzt? La reprise. Die Neue sieht dem Renneisen früherer Tage wie aus der Visage geschnitten ähnlich. Dieselbe vieräugige Front, dieselben Verwerfungen auf der Motorhaube, auch die Dachkuppel sitzt wie beim Vorbild eng und keck auf dem breitschultrigen Heck. Systemisch betrachtet: kurz, knackig, extrem niedrig, extrem leicht und extrem agil. Das Herz schlägt am rechten Fleck, nämlich nahe der Fahrzeugmitte, und beteiligt sich am Gewichtstrimm von 44 Prozent vorne zu 56 Prozent hinten, was sich in einer innigen Verbundenheit zur Straße niederschlägt. Alles beim Alten.

44 Prozent des Fahrzeuggewichts lasten auf der Vorderachse.
Foto: Renault

Tief steigt man ein in die Alpine, wird von Schalensitzen empfangen, die dich nicht mehr loslassen, auch wenn's hurtig durch die Kurven geht. In einem Kraftakt der Minimalisierung wurden sie auf 13 Kilo pro Sitz abgespeckt, ohne dass der Komfort gelitten hätte. Das Soundsystem spart nach akrobatischen Denkprozessen weitere sechs Kilo, wobei die Hauptlast der Slim-Fit-Bewegung natürlich die Alu-Karosserie stemmt, um das Urgewicht von sacht über einer Tonne einzuhalten.

Hüfthoch ist die neue Alpine.
Foto: Renault

Das zahlt sich aus. Selten lag ein Auto leichter in der Hand, es folgt gierig jedem Lenkeinschlag, will bewegt werden, wetzen, heizen wie ein junger Jack-Russell-Terrier. Der 1,8-Liter-4-Zylinder-Turbo ist ein stimmiger Spielgefährte, der vom Start in 4,5 Sekunden auf 100 km/h hochjagt, hechelnd den Gangwechseln (automatisch oder per Lenkradpaddles über Doppelkupplung) vorausjubelt, ohne außer Atem zu kommen.

Der Innenraum der Alpine.
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Klar, dass man die Kennlinien von Motor, Getriebe, Gaspedal von komfortablem Alltagsbetrieb über Sport bis Track aggressiv steigern und zur Genugtuung aller begabter Freizeit-Racer das ESP komplett ausknipsen kann. Spoiler sucht man an diesem wirklich herzeigbaren Auto glücklicherweise vergeblich. Der glatte Unterboden und der aerodynamische Zuckerguss machen halbstarkes Overstatement komplett überflüssig.

Spoiler sucht man hier vergebens.
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Wie sehr die Ankündigung einer neuen Alpine die Menschheit erschüttert, zeigt der prompte Ausverkauf aller 1.955 Stück der ersten Auflage. Weitere werden folgen. In Österreich kümmern sich drei Betriebe in Wien, Linz und Graz um die Weitergabe und Betreuung der Ikone, die strikt unter der Submarke Alpine gehandelt wird. (Andreas Hochstöger, 14.12.2017)

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