Wieviel Wettbewerb verträgt die ÖBB. Über den Streit darüber kam man nicht zur Umsetzung der Vergaberechtsnovelle.

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Wien – Wegen anhaltender Verletzung der EU-Bestimmungen zur Vergabe öffentlicher Aufträge droht Österreich ein Zwangsgeld von fast 138.000 Euro täglich. Die EU-Kommission wird nach eigenen Angaben vom Donnerstag den EU-Gerichtshof ersuchen, für die drei betroffenen Richtlinien ein tägliches Zwangsgeld von 52.972 Euro, 42.377,60 Euro und 43.377,60 Euro zu verhängen, erklärte die EU-Behörde am Donnerstag.

Das Bußgeld würde vom Tag der Urteilsverkündung bis zur vollständigen Umsetzung der Richtlinien und dem Inkrafttreten im nationalen Recht anfallen. Ähnliche Bußgelder beantragte die EU-Kommission am Donnerstag auch gegen Luxemburg, Slowenien und Spanien.

"Die neuen Bestimmungen geben den Regierungen wirksame Mittel an die Hand, um das Geld der Steuerzahler effizienter einzusetzen, bei der öffentlichen Auftragsvergabe innovativen, energie- und ressourcenschonenden Lösungen den Vorzug zu geben und sozial integrative Ansätze zu fördern", erklärte die EU-Binnenmarktkommissarin Elzbieta Bienkowska.

Versäumnis reparieren

Österreich könnte damit in Summe zu einer Zahlung von mehreren Millionen Euro verdonnert werden. Eine allfällig Verurteilung Österreichs im Vertragsverletzungsverfahren vor dem Europäischen Gerichtshof könnte bereits im Laufe des zweiten Quartals 2018 erfolgen, also kurz vor der Übernahme der EU-Präsidentschaft durch Österreich. Auf Nachfrage in der ÖVP hieß es am Donnerstag, dass die neue ÖVP-FPÖ-Regierung, wenn diese bei ihren Koalitionsverhandlungen zu einem Abschluss kommt, das Versäumnis durch das Bundeskanzleramt rasch reparieren werde.

Die Vergaberechtsrichtlinie der EU stammt bereits aus dem März 2014. Das gemeinschaftliche Vergaberecht wurde damals auf eine neue rechtliche Basis gestellt. Die Umsetzungsfrist für die entsprechenden Richtlinien ist bereits im April 2016 abgelaufen. Inhaltliche Schwerpunkte des EU-Pakets waren die Modernisierung und Adaptierung des rechtlichen Rahmens für die Vergabe von Aufträgen durch öffentliche Auftraggeber und Sektorenauftraggeber in den Bereichen Verkehr, Energie, Wasser und Post.

Die entsprechende Vergaberechtsnovelle sorgte in den vergangenen Monaten in der SPÖ-ÖVP-Koalition immer wieder für heftige Kontroversen. Für die Zeitverzögerung und die drohenden Sanktionszahlungen macht die ÖVP die SPÖ beziehungsweise das zuständige Bundeskanzleramt verantwortlich, hat es doch den Erstentwurf erst neun Monate nach Ablauf der Umsetzungsfrist, im Jänner 2017, an den Koalitionspartner übermittelt. Der erste Entwurf nach dem Begutachtungsverfahren lag Anfang Mai vor.

Streitpunkt Direktvergabe im öffentlichen Verkehr

Die Umsetzung der Vergaberechtsnovelle scheiterte danach am Streitpunkt Direktvergabe im öffentlichen Verkehr, insbesondere um die ÖBB. Die SPÖ sprach sich für eine Direktvergabe von Verkehrsdienstleistungen aus, die ÖVP plädierte für die Direktvergabe von Lokal- und Schmalspurbahnen und die Ausschreibung von überregionalen Eisenbahnstrecken. Die SPÖ sah darin einen "neuen Anlauf" der ÖVP zur Privatisierung der Bahn. Die ÖVP wies dies zurück und kritisierte zugleich die SPÖ, die ihre rote ÖBB vom Wettbewerb abschotten wolle, statt diese "wettbewerbsfit" zu machen. Die Vergaberechtsnovelle blieb schließlich im Parlament hängen. Nun gibt es dafür von der EU die Gelbe Karte. (APA, 7.12.2017)