Gruppenbild in Wien.

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Wien – Zum Auftakt des zweitägigen Außenministertreffens der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) in der Wiener Hofburg kam es am Donnerstag zwischen den Vertretern der USA und Russlands, Rex Tillerson und Sergej Lawrow, zu einem verbalen Schlagabtausch über die Ukraine-Krise. Lawrow, der der Nato eine "rücksichtslose Expansion" in Europa vorwarf, gab vor allem Kiew die Schuld daran, dass das Minsker Abkommen zur Beilegung des Kriegs in der Ostukraine immer noch nicht umgesetzt ist.

Lawrow nutzte seine Rede vor den Ministerkollegen auch für Kritik an Österreich. In dem Streit geht es um russische Journalisten von der annektierten Halbinsel Krim, denen im November die Einreise nach Österreich verweigert worden war. Hintergrund ist die Nichtanerkennung des Anschlusses der ukrainischen Halbinsel an Russland.

US-Außenminister Tillerson bekräftigte diese Politik des Westens in seinem Eingangsstatement explizit: "Wir werden die Besetzung und die versuchte Annexion der Krim niemals akzeptieren", so Tillerson. Bei ihrem Handshake vor einer bilateralen Unterredung am Rande der Konferenz, bei der es dem Vernehmen nach auch um Nordkorea gehen sollte, gaben sich Tillerson und Lawrow – den vorhergegangenen Wortgefechten zum Trotz – dann gelöst.

US-Sanktionen wegen Krim

Bei einem Pressegespräch gemeinsam mit seinem österreichischen Amtskollegen Sebastian Kurz, dem derzeit amtierenden OSZE-Präsidenten, erhärtete Tillerson seinen Standpunkt in der Ukraine-Politik. Er betonte zwar die Wichtigkeit guter Beziehungen zwischen Russland und den USA und erklärte, man könne durchaus "unterschiedliche Ansichten in diversen Fragen haben", etwa zum Vorgehen in Syrien. Aber "die Invasion eines Landes in ein anderes" mache einen Unterschied und könne nicht einfach hingenommen werden. Bereits in der Plenarsitzung zuvor hatte er angekündigt, die Sanktionen der USA würden aufrecht bleiben, "bis Russland die Halbinsel zurückgibt".

Mit Blick auf den Krieg in der Ostukraine sprach Tillerson der dort tätigen OSZE-Beobachtermission seine Unterstützung aus. Er erinnerte daran, dass heuer im Frühjahr zum ersten Mal ein Mitglied des Beobachterteams, ein US-Bürger, bei einer Explosion in den von prorussischen Separatisten kontrollierten Gebieten ums Leben gekommen war. "Die Beobachter müssen sicher arbeiten können", appellierte er an gemeinsame Anstrengungen für eine funktionierende Mission. 2017 seien in der Ostukraine mehr Menschen getötet worden als im Jahr zuvor. "Das muss aufhören", so Tillerson.

Scharfe Attacken gegen Moskau kamen vor allem auch vom ukrainischen Außenminister Pawel Klimkin. Russland halte sich bewusst nicht an die Minsker Vereinbarung. Mehr als 10.000 Menschen seien durch den Konflikt in seinem Land bereits getötet worden, so Klimkin: "Das kann nicht die neue Normalität in Europa sein."

Konflikt über Status von Jerusalem

Angesprochen auf die Entscheidung von Präsident Donald Trump, Jerusalem als Hauptstadt Israels anzuerkennen und die US-Botschaft nach Jerusalem zu verlegen, berief Tillerson sich auf ein Gesetz aus dem Jahr 1995, das genau dies vorsehe. Nachdem die Implementierung des Gesetzes bis jetzt stets aufgeschoben worden sei, würde Trump nun "den Willen des amerikanischen Volkes umsetzen", so Tillerson. Trump habe ihn bereits mit den Vorbereitungen für einen Umzug der Botschaft beauftragt. "Aber das ist nichts, was über Nacht passiert." Der US-Chefdiplomat wies überdies darauf hin, dass Trump seine Unterstützung für eine Zweistaatenlösung im Nahostkonflikt bekräftigt habe. Weltweit wächst indes die Sorge, dass die Entscheidung Washingtons genau eine solche Lösung in weite Ferne rücken lassen und neuerliche Gewalteskalationen zur Folge haben könne.

Sebastian Kurz nahm bei dem gemeinsamen Pressegespräch mit Tillerson ebenfalls Stellung zum Streit über Jerusalem. Position Österreichs und der EU sei es, dass der Status der Stadt Ergebnis von Verhandlungen beider Seiten, also zwischen Israelis und Palästinensern, sein müsse, und dass es gelte, eine weitere Eskalation des Konflikts zu verhindern.

Kurz nahm bei der Begegnung auch die Glückwünsche Tillersons zum Wahlerfolg der ÖVP entgegen. Er freue sich schon auf Zusammenarbeit mit der nächsten österreichischen Regierung, erklärte Tillerson – und war dabei seiner Zeit ein wenig voraus: Mehrfach nannte er Kurz "Premierminister", in vielen Ländern der Amtstitel des Regierungschefs. Auch Russlands Außenminister Lawrow kam am Rande der Veranstaltung mit Kurz zu einem Gespräch zusammen und dankte ihm für die bisherige Zusammenarbeit auf bilateraler Ebene.

Kurz bilanziert weitgehend zufrieden

Bei der Eröffnung der Konferenz hatte Kurz zuvor eine Bilanz des einjährigen OSZE-Vorsitzes Österreichs gezogen. Krisenbewältigung, Kampf gegen Radikalisierung und Terrorismus sowie die Wiederherstellung des Vertrauens unter den 57 Mitgliedstaaten waren die Prioritäten, die er im Jänner, am Beginn seiner Präsidentschaft, ausgerufen hatte.

Beim Krieg in der Ostukraine – einer Krise, die in den vergangenen Jahren besonders im Fokus der OSZE stand – sei es gelungen, das Mandat und das Budget der vor Ort eingesetzten, etwa 1.000 Personen starken Beobachtermission zu erweitern, so Kurz. Jede Eindämmung der Kämpfe ist für Kurz auch ein Erfolg im Sinne der Zivilbevölkerung, die auf beiden Seiten der Front zwischen den ukrainischen Regierungstruppen und prorussischen Separatisten unter der alltäglichen Kriegsbedrohung leidet.

Transnistrien-Konflikt

Auch im Streit um Transnistrien, eine abtrünnige Region im Osten der Republik Moldau, habe man Erleichterungen für das Leben der Bürgerinnen und Bürger erwirken können. Kurz erwähnte in diesem Zusammenhang die Eröffnung einer seit 25 Jahren gesperrten Brücke über den Dnjestr, der den Großteil des Grenzverlaufs bildet, sowie die grenzüberschreitende Anerkennung von Uni-Zeugnissen, die mehr Mobilität – und damit Normalität – im akademischen Betrieb ermöglicht.

Mit Blick auf den Kampf gegen Radikalisierung und Terror forderte Kurz gemeinsame Anstrengungen, "egal ob es sich um islamistischen Terror handelt oder um politischen Terror von rechts oder links". Ein Bericht des Terrorexperten Peter Neumann, der von Kurz als Sonderbeauftragter für diesen Bereich eingesetzt worden ist, steht ebenfalls auf der Tagesordnung des Treffens.

Anhaltende Vertrauenskrise

Die Vertrauenskrise zwischen einzelnen Mitgliedstaaten würde jedoch weiter anhalten. "Diesem Trend müssen wir uns entschieden entgegenstemmen", sagte Kurz, der zu Beginn von Österreichs OSZE-Vorsitz dazu aufgerufen hatte, das "Blockdenken wieder in die Geschichtsbücher zu verbannen". Handlungsbedarf sieht er auch bei der Debatte über die künftige Finanzierung der OSZE: "Wir brauchen eine Lösung, um die stabile Basis der Finanzierung der Organisation nicht zu gefährden", so Kurz – eine Forderung, der sich OSZE-Generalsekretär Thomas Greminger in seiner Rede anschloss: "Die OSZE kann nur so effektiv sein, wie ihre Mitgliedstaaten es erlauben", sagte Greminger, der für eine "Stärkung der budgetären Möglichkeiten" der Organisation eintritt. (Gerald Schubert, 7.12.2017)