Ein Palästinenser wirft einen Gaskanister gegen israelische Soldaten in Nablus.

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Jerusalem – In den Palästinensergebieten brodelt es. "Amerika war ein großartiges Land für uns und jeden", sagt Salah Suhikeh in der Altstadt von Jerusalem. "Aber durch diese Entscheidung ist Amerika ein sehr kleines Land geworden, so wie jedes kleine Land in der Welt."

Aus Sicht des 55-jährigen Palästinensers hat US-Präsident Donald Trump sein eigenes Versprechen "Make America great again" zunichte gemacht. Mit der Entscheidung, Jerusalem als Hauptstadt Israels anzuerkennen, seien die USA im Ansehen und als Vermittler zu "Mikronesien" geschrumpft.

In Gaza marschieren am Donnerstag tausende erboste Palästinenser zum Mahnmal für den unbekannten Soldaten. Sie verbrennen Flaggen der USA und Israels und rufen Parolen wie "Tod für Amerika" oder "Tod für Israel". In Bethlehem schaltete die Stadtverwaltung die Beleuchtung des Weihnachtsbaums auf dem Manger-Platz vor der Geburtskirche Jesu aus Protest gegen die Jerusalem-Entscheidung Trumps ab.

Tränengas und Gummigeschosse

Israelische Sicherheitskräfte setzten Tränengas, Gummigeschosse und scharfe Munition ein, um die Proteste im Westjordanland aufzulösen. Laut Zeugen und Rettungskräften wurden dutzende Demonstranten verletzt. Im Westjordanland und in Ost-Jerusalem blieben die meisten Geschäfte und Schulen nach einem Aufruf zum Generalstreik geschlossen. Es herrscht Wut und Ohnmacht, aber ein Flächenbrand ist es noch nicht.

Auch der Aufruf von Palästinenserpolitikern zu drei "Tagen des Zorns" ab Mittwoch hat bisher nicht gezündet – von Kälte und Regen eingehüllt, bleibt es in Jerusalem am Donnerstag ruhig. Doch das Wort von der nächsten Intifada macht bereits die Runde. Aufgerufen zu einem neuerlichen Palästinenseraufstand hat die radikalislamische Hamas-Bewegung. Auf die von den USA unterstützte "zionistische Strategie" gebe es als alleinige Antwort eine "neue Intifada", sagte Hamas-Führer Ismail Haniyeh am Donnerstag in einer Rede im Gazastreifen.

Palästinenserpräsident Mahmoud Abbas (Abu Mazen) hatte bereits unmittelbar nach der Ankündigung Trumps im palästinensischen Fernsehen von "beklagenswerten und unannehmbaren Maßnahmen" gesprochen, die "bewusst alle Friedensbemühungen" untergrüben. Damit gebe Washington seine "Rolle als Förderer des Friedensprozesses" auf, den es im vergangenen Jahrzehnt innegehabt habe.

Freitagsgebete stehen erst bevor

Möglicherweise ist es eine Art Lähmung, aus purer Fassungslosigkeit über den beispiellosen Tabu-Bruch Trumps, die vorerst die Palästinenser erfasst hat. Doch die Freitagsgebete stehen erst noch bevor – gewissermaßen traditionell ein Ausgangspunkt für heftige Proteste. In den Moscheen in den Palästinensergebieten dürfte es kaum ein anderes Thema geben.

Denn der endgültige Status von Jerusalem ist einer der größten Streitpunkte im Nahost-Konflikt. Die Palästinenser beanspruchen den 1967 von Israel besetzten und dann 1980 annektieren Ostteil Jerusalems als künftige Hauptstadt ihres angestrebten eigenen Staates. In der internationalen Gemeinschaft herrschte bisher Konsens darüber, dass der Status der Stadt in Friedensgesprächen zwischen Israelis und Palästinensern zu klären ist. Entsprechend scharf war die internationale Kritik an Trumps Vorgehen.

In Israel war der Jubel dagegen groß. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu sprach von einer "mutigen und gerechten Entscheidung" und einem "historischen Tag". Die Stadtverwaltung von Jerusalem projizierte eine riesige israelisch-amerikanische Doppelflagge auf die Altstadtmauer.

Für mögliche Demonstrationen und Proteste fühlte sich die Regierung gerüstet. Verteidigungsminister Avigdor Lieberman versicherte: "Wir sind auf alle Eventualitäten vorbereitet." Und Justizministerin Ayelet Shaked warnte die Palästinenser: "Ich rate ihnen, die israelische Duldsamkeit mit ihren terroristischen Drohungen nicht auf die Probe zu stellen." Die erste größere Probe könnte schon am Freitag bevorstehen. (Shatha Yaish/AFP/APA, 7.12.2017)