Heikle Gespräche in Wien: Russlands Außenminister Sergej Lawrow und sein US-Amtskollege Rex Tillerson trafen am Donnerstag am Rande des OSZE-Treffens zusammen.

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Wien – Bei zentralen Themen des Außenministertreffens der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) in der Wiener Hofburg blieben die Fronten auch am Freitag verhärtet. So haben etwa die Debatten über den Ukrainekonflikt keine Annäherung gebracht. Jüngster Beleg dafür war die harsche Wortwahl von Russlands Außenminister Sergej Lawrow, der am Vormittag bei seiner Pressekonferenz im großen Redoutensaal der Wiener Hofburg unter anderem von den "destruktiven Positionen seiner Kiewer Kollegen" sprach.

Er und sein ukrainischer Amtskollege Pawlo Klimkin hatten einander bereits am Donnerstag vorgeworfen, an der Umsetzung des Minsker Abkommens zur Beilegung des Kriegs zwischen der Ukraine und prorussischen Separatisten im Donbass nicht wirklich interessiert zu sein.

Lawrow beklagte am Freitag außerdem erneut eine "hemmungslose Expansion" der Nato in Osteuropa. US-Außenminister Rex Tillerson hatte seinerseits in Wien bekräftigt, dass die gemeinsam mit der EU verhängten Ukraine-Sanktionen nicht aufgehoben würden, solange Moskau seine Kräfte nicht aus der Ukraine abziehe. Auch die "Besetzung und versuchte Annexion der Krim" würden die USA niemals akzeptieren, so Tillerson.

Streit um Blauhelmmission

Auch in der Frage einer möglichen Stationierung von UN-Blauhelmsoldaten im Donbass herrscht nach wie vor Uneinigkeit. Russland hatte eine solche UN-Mission ins Spiel gebracht und eine Stationierung an der "Kontaktlinie", der Front zwischen ukrainisch kontrolliertem Gebiet und den sogenannten "Volksrepubliken" im Osten vorgeschlagen. Die Ukraine wünscht sich eine Stationierung im gesamten Konfliktgebiet, einschließlich der Grenze zwischen den Separatistengebieten und Russland.

Lawrow sprach in diesem Zusammenhang auch von "Versuchen, unsere Initiative einer UN-Bewachung der OSZE-Mission auf den Kopf zu stellen" und eine UN-Verwaltung für den Donbass einführen zu wollen. Kiew benutze nun den russischen Vorschlag für eine Blauhelmmission, "um Minsk zu begraben", sagte Lawrow am Freitag. Offenbar sollten "die Vereinten Nationen nun für Kiew das Problem lösen" und die abtrünnigen Regionen im Donbass "in die Ukraine zurückholen", so Lawrow.

Österreichs Außenminister Sebastian Kurz, derzeit noch amtierender OSZE-Präsident, hält die Idee einer Blauhelmtruppe prinzipiell für richtig. "Die Entscheidung liegt beim UN-Sicherheitsrat" erklärte er am Nachmittag auf der Abschlusspressekonferenz, ohne dabei auf Details einzugehen.

Lawrow: "US-Provokationen gegen Nordkorea"

Am Rande der Konferenz war es bereits am Donnerstag zu einem bilateralen Treffen zwischen Tillerson und Lawrow gekommen. Dabei sprachen die beiden Chefdiplomaten unter anderem über die Nordkoreakrise. Lawrow zufolge will Russland sich an der Vermittlung von Gesprächen zwischen Nordkorea und den USA beteiligen. Bei seiner Pressekonferenz am Freitag verurteilte er zwar erneut die jüngsten Raketentests Pjöngjangs, gab für diese aber indirekt auch den USA und Südkorea die Verantwortung: Deren gemeinsame Manöver schienen darauf abgezielt zu haben, Nordkorea zu provozieren, so Lawrow.

Wegen des Atom- und Raketenprogramms Nordkoreas hatten sich US-Präsident Donald Trump und Nordkoreas Machthaber Kim Jong-un zuletzt einen harten verbalen Schlagabtausch geliefert. Trump drohte der Regierung in Pjöngjang im Falle eines Krieges mit "völliger Zerstörung". Lawrow verwies mit Blick auf die Nordkoreakrise auch auf die Drohungen Trumps, das internationale Atomabkommen mit dem Iran aufzukündigen: "Wie können wir da Nordkorea davon überzeugen, dass ein Abkommen nicht von der nächsten US-Administration wieder angezweifelt wird?"

Konflikt um Jerusalem

Auch die umstrittene Entscheidung von US-Präsident Donald Trump, Jerusalem als Hauptstadt Israels anzuerkennen, war Thema bei den Unterredungen zwischen den beiden Außenministern. Er habe "auf die Befürchtungen arabischer und islamischer Staaten hingewiesen, dass diese Entscheidung die Bemühungen um eine Zweistaatenlösung sprengen könnte", sagte Lawrow am Freitag. Trumps Schritt "verletze alle Abkommen" und mache eine Lösung des Nahostkonflikts nur noch komplizierter.

US-Außenminister Tillerson hatte zuvor in einem gemeinsamen Pressegespräch mit seinem österreichischen Amtskollegen Sebastian Kurz auf ein Gesetz aus dem Jahr 1995 zum Status Jerusalems verwiesen, dessen Implementierung seither alle US-Präsidenten ausgesetzt hatten. Trump würde nun lediglich "den Willen des amerikanischen Volkes umsetzen". Er selbst sei mit den Vorbereitungen für einen Umzug der US-Botschaft nach Jerusalem betraut worden, allerdings sei dies "nichts, was über Nacht passiert", so Tillerson.

Erklärungen zu Menschenrechten und Desinformation

Trotz Uneinigkeit in vielen Punkten hat sich der OSZE-Ministerrat vor Abschluss des Gipfels am Freitag auf mehrere gemeinsame Erklärungen verständigt, darunter etwa zu den Themen Menschenhandel oder sexuelle Ausbeutung von Kindern. Die einzelnen Staaten werden dabei unter anderem zu stärkerem Opferschutz und zu einer Verschärfung der Gesetze aufgerufen. Interessantes Detail: Die Außenminister fordern explizit auch eine "Null-Toleranz-Politik" gegen Arbeitssklaverei in diplomatischen Vertretungen.

In einer weiteren Erklärung haben die OSZE-Staaten den "böswilligen Gebrauch" von Informationstechnologien als Sicherheitsrisiko angeprangert. Diese "negativen Trends bergen Sicherheitsrisiken für alle OSZE-Staaten und ihre Bürger", heißt es in dem Text. In der OSZE mit ihren 57 Mitgliedern herrscht Einstimmigkeitsprinzip. Auch Russland, dem häufig Desinformationskampagnen zur Beeinflussung der politischen und gesellschaftlichen Stimmung in anderen Staaten vorgeworfen werden, stimmte für die Erklärung, die die Behörden in den Mitgliedsstaaten auffordert, das von neuen Kommunikationstechnologien ausgehende "Konfliktrisiko" zu verringern.

Sonderstatus für Transnistrien

Fortschritte gab es auch zum Konflikt um Transnistrien, eine abtrünnige, überwiegend prorussische Region im Osten der Republik Moldau. In einer Erklärung, die auch von Moldau mitgetragen wird, bekennen sich die Mitgliedsstaaten zu einer "umfassenden, friedlichen und nachhaltigen Lösung des Konflikts auf Grundlage der Souveränität und territorialen Integrität der Republik Moldau innerhalb seiner international anerkannten Grenzen mit einem Sonderstatus für Transnistrien".

Auch Österreichs Außenminister Sebastian Kurz hat bei der Abschlusspressekonferenz positive Schritte in Transnistrien wie etwa die Eröffnung einer 25 Jahre lang gesperrten Brücke über den Fluss Dnister, der den größten Teil der Grenze bildet, oder die grenzüberschreitende Anerkennung von Uni-Diplomen und Autokennzeichen als Erfolge seiner einjährigen OSZE-Präsidentschaft präsentiert.

Österreichs Vorsitz geht zu Ende

Kurz reihte auch die personelle und budgetäre Stärkung der OSZE-Beobachtermission in der Ukraine sowie die Lösung der institutionellen Krise, während der alle vier Spitzenfunktionen in der OSZE unbesetzt waren, in die Liste der Erfolge ein. Außerdem sei es gelungen, auch den Kampf gegen Radikalisierung und gewalttätigen Extremismus, der einer der Prioritäten des österreichischen Vorsitzes war, in den Fokus der Organisation zu rücken.

Allerdings, räumte Kurz ein, bestehe immer noch eine Vertrauenskrise zwischen den Mitgliedsstaaten, deren Lösung ein dringender Auftrag für die Zukunft sei. Das zweitägige Außenministertreffen der OSZE war Höhepunkt und gleichzeitig inoffizieller Abschluss des österreichischen Vorsitzes in der Organisation. Offiziell findet die Übergabe erst zum Jahreswechsel statt. (Gerald Schubert, 8.12.2017)