Sebastian Kurz, hier beim OSZE-Ministerrat in Wien.

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Während Karl-Heinz Grasser sich vom Ehemann einer Richterin in seinen Leistungen für die Republik twittermäßig nicht genug gewürdigt fühlte, um einem Prozess vor der Ehefrau mit jener Gelassenheit entgegenzusehen, die auf mehr als selbstbestätigter Unschuld beruht, und damit vor Antritt der türkis-blauen Koalition in Erinnerung rief, was die Republik an ihrer Vorgängerin hatte, suchen Medien die Qualitäten des neuen Hoffnungsträgers zu ergründen. Spät, aber hoffentlich nicht zu spät stellte das Wirtschaftsmagazin "Trend" in seiner Nummer vom 7. Dezember auf dem Cover die alles entscheidende Frage: Kann Kurz Kanzler?

Zu ihrer Beantwortung engagiert das Blatt einen Herrn Michael Schmitz, seines Zeichens Professor für Psychologie und Management sowie Coach für Führungskräfte und Führungsteams, also eine aushäusige Fachkraft, die es wissen sollte. Derselben ist zu bestätigen, dass sie sich an der gallertartigen Materie redlich abgearbeitet hat, leider ohne dabei dem Bundespräsidenten, wenn er demnächst die Frage Kann Kurz Kanzler? zu entscheiden hat, eine Hilfe zu sein.

Jugendliche Studienabbrecher

In der Beweisführung für ein Ja führte Professor Schmitz zunächst eine Reihe jugendlicher Studienabbrecher ausländischer Provenienz an, die es zu einem Haufen Geld gebracht haben, wie Bill Gates, Steve Jobs, Mark Zuckerberg etc., ohne je den Ehrgeiz erkennen zu lassen, Bundeskanzler in Österreich werden zu wollen. Als Überleitung zum eigentlichen Objekt seiner Untersuchung fiel ihm noch Alexander der Große ein, gewiss ein naheliegender, wenn auch leicht makabrer Gedanke. Der war 23, als er der Legende nach seine Führungsqualitäten demonstrierte, wobei ihm als Geilomobil ein gordischer Knoten genügte. Es ist eben ein kleiner Startvorteil, nicht in einen Meidlinger Gemeindebau hineingeboren zu sein, getrübt freilich durch den Umstand, dass besagter Alexander es im Alter von Sebastian Kurz nur noch zu einer stark verkürzten Legislaturperiode gebracht hätte.

Das wollen wir unserem Alexander nicht wünschen. Er ist kein Vordenker. Er ist Stilist und gehört zur Generation der Slim-Fit-Politiker, die knappe Anzüge tragen und daherkommen mit schmächtigen Programmen. Er ist kein Macron. Er ist nicht einmal ein guter Nachahmer. Er initiierte keine neue Bewegung. Er nutzte die Paralyse der alten ÖVP-Führungsriege, um sie beiseitezuschieben und die Bühne für sich zu erobern.

Aber irgendetwas kann er doch. Er hat ein hervorragendes Gespür für Timing bewiesen. Er konnte gelassen beobachten, ausharren – bis sich die Altherrenriege der ÖVP selbst in eine nicht mehr zu kurierende Insuffizienz getrieben hatte ... Die im Kleinkrieg ermatteten Parteigranden haben Kurz die Macht vor die Füße gelegt.

Nur kein verfrühter Optimismus

Doch jetzt nur kein verfrühter Optimismus. Die Realität wird ihn vermutlich schneller einholen, als er glaubt. Das alte Establishment wird die Strukturen verteidigen, die es braucht, um sich zu erhalten. So ermattet sind die Parteigranden offenbar doch nicht. Wie will er da dagegenhalten, wenn er nicht einmal ein guter Nachahmer Macrons ist? Auch mit der Antwort darauf lässt Professor Schmitz den Bundespräsidenten allein. Ja, Kurz ist fesch und sympathisch. Wer so rüberkommt, gilt vielen nahezu automatisch als glaubwürdig, und dann schnell auch als fähig. Die Psychologie nennt diese weitverbreitete Gedankenverknüpfung einen Zuordnungsirrtum.

Sich hinter der Psychologie zu verschanzen, um dem Wähler mitzuteilen, er sei einem Feschak auf den Leim gegangen, ist unfair. Kurz hat auch seine Qualitäten: Er spricht eine klare Sprache! Bisher nicht, und auch etwas verfrüht: Er konnte so Eindruck machen und eine neue Regierung noch in diesem Jahr auf die Beine stellen. Futurisches Perfektum.

"Bei allen Freunden und Unterstützern bedanken"

Kurz hat nicht nur die Altherrenriege der ÖVP gegen sich, nein, er hat auch Freunde. Dienstag ertappte die "Krone" den Marathonmann, als er Gäste zu einem Punschumtrunk lud. "Ich will mich einfach bei allen Freunden und Unterstützern bedanken, erklärte er Adabei über seinen Antrieb. Man hätte es gar nicht, sogar bildlich, erwähnen müssen, man weiß es ohnehin. Dabei: "Krone"-Herausgeber Christoph Dichand mit seiner Ehefrau Eva.

Kein Wunder, dass die Unterstützung der "Krone" für Kurz eher punschumflort als unabhängig wirkt. Da wollte der "Kurier" nicht zurückbleiben. Ein Gespräch mit dem Karikaturisten des Blattes enthüllte wirklich Neues: Sebastian Kurz zeigte erstmals seine ironische Seite. (Günter Traxler, 10.12.2017)