Sebastian Kurz hat sich festgelegt, was Europa betrifft. Seinen Satz "Meine Regierung wird europagesinnt sein oder sie wird nicht sein" hat er in Varianten (statt "europagesinnt" auch "europafreundlich") mehrfach wiederholt. Nach seinem Wahlsieg im Oktober war er in Brüssel und versicherte allen, von Juncker über Merkel bis Macron, und Funktionären der Europäischen Volkspartei, dass die ÖVP eine EU-Partei sein und bleiben werde und er nicht daran denke, dem Klub der osteuropäischen Autoritären, den Visegrád-Staaten, beizutreten. Im Hinblick auf die geplante Koalition mit der FPÖ sagte der Fraktionschef der EVP im EU-Parlament, Manfred Weber: "Irgendwelche Spinnereien von Radikalen" hätten in der künftigen Regierung in Wien keinen Platz, ebenso wenig Ideen von einem Austritt aus der EU (Öxit) oder der Eurozone.

Klare antieuropäische Signale aus der FPÖ

Wunschdenken. Die FPÖ hat seither immer wieder klare antieuropäische Signale von sich gegeben: Der Öxit müsse selbstverständlich als Möglichkeit per leichtere Volksabstimmungen enthalten sein. Die Russland-Sanktionen der EU müssten weg, sagte Johann Gudenus, der führende Putin-Verehrer in einer Garde von Russland-Fans innerhalb der FPÖ. Der Kooperationsvertrag mit Putins Partei Einiges Russland, komplett mit Strache, Hofer, Vilimsky und Gudenus im Moskauer Schnee, gilt nach wie vor. Man kann die FPÖ ruhig als eine jener rechtspopulistischen bis extrem rechten Parteien bezeichnen, die sich von Putin und seinen EU-Spaltungsplänen instrumentalisieren lassen. Le Pen, Viktor Orbán, neuerdings auch die deutsche AfD: "Wir müssen die Nato-Mitgliedschaft überwinden", sagte AfD-Übervater Alexander Gauland, "und eine europäische Friedensordnung mit Russland bekommen." Die Nato hat Deutschland jahrzehntelang die Freiheit erhalten und die Wiedervereinigung (mit)ermöglicht.

Verlängerung der Russland-Sanktionen

Die FPÖ ist noch immer mit Le Pen, Wilders und der Lega Nord in der "destruktivsten Fraktion" im Europäischen Parlament (Othmar Karas). Dieser Fundamentalwiderspruch wird in der neuen Regierung aufbrechen, früher oder später. Vielleicht schon, wenn es um die Verlängerung der Russland-Sanktionen geht. Kurz steht denen auch skeptisch gegenüber, was seiner Urteilskraft bezüglich Putins Absichten kein gutes Zeugnis ausstellt, aber er kann sich gegenüber Deutschland und Frankreich nicht isolieren. Oder? Kurz vermeidet auch substanzielle Kritik an Orbán.

Die EU ist übernational, nicht nationalistisch und völkisch, auf Kooperation, nicht Domination eingestellt, und ihr erfolgreiches Prinzip ist die liberale Demokratie plus Marktwirtschaft. All das ist Anathema für rechtspopulistische, autoritäre, völkische "soziale Heimatparteien" wie die FPÖ.

Sebastian Kurz ist vielleicht kein Herzens-, aber ein Verstandeseuropäer. Er glaubt offenbar, dass er mit den rechtspopulistischen Instinkten seines kommenden Partners schon wird umgehen können, und sei es durch Adoption. Womöglich ein Irrglaube. (Hans Rauscher, 8.12.2017)