Željko Ražnatović

Bearbeitung: Christoph Rainer / Credit: Sreten Colic

Dušan Spasojević

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Milan Luković

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Milorad Ulemek

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Sretko Kalinić

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Der serbische Kanzler wird oft als "Kennedy von Serbien" bezeichnet. Man sieht in ihm den Aufbruch ins Bessere, den Abbruch der Ruinen des Slobodan Milošević und das Ende der Korruption und Kriminalität. Es ist eine tragische Ironie der Geschichte, dass dies großteils, aber eher halbherzig, erst gelingt, als Zoran Đinđić schon tot ist. Die zweite Parallele zu Kennedy ist das Attentat selbst: Es produziert zahlreiche Verschwörungstheorien, deren eine ebenfalls von einer "dritten Kugel" spricht, die in diesem Fall aus Eis bestanden haben soll.

Cui bono?

Tatsächlich fällt Đinđić einer Verschwörung zum Opfer, allerdings keiner von den kolportierten drei Dutzend. Alles ist viel einfacher und kommt ganz ohne Zauberkugeln, Ufos und Zionisten aus. Đinđić will Serbien nach Europa führen, wofür die Zusammenarbeit mit dem ICTY, dem Kriegsverbrechertribunal in Den Haag, unabdingbar ist, und er will ein Kronzeugengesetz im Parlament durchdrücken, das es ihm ermöglichen soll, mit den Gangsterclans, allen voran mit dem mächtigsten, dem Clan von Zemun, aufzuräumen. Und allein das ist sein Todesurteil. Sonst nichts.

Neben manchen anderen, die das Gericht in Den Haag fürchten, sind auch zahlreiche Angehörige der JSO-Spezialeinheit des Geheimdiensts und einige hohe Offiziere des Geheimdienste. Die Kronzeugenregelung ist eine tödliche Gefahr für den Clan. Doch beide Entitäten, JSO und Clan, arbeiten mit dem Wissen und dem Segen hoher Geheimdienstler seit längerem eng zusammen und profitieren von der bisherigen Unberührbarkeit. Weil Đinđić diesem Zustand, der ganz Serbien lähmt, ein Ende bereiten will, beschließen die Akteure seinen Tod. Erst der dritte Anlauf gelingt.

Die Revolte der Gesichtslosen

16 Monate vor dem Attentat auf Đinđić, am Morgen des 12. November 2001, fährt eine Kolonne gepanzerter Hummer-Jeeps der Einheit für spezielle Operationen der Staatssicherheit (JSO, Jedinica za specijalne operacije) zum Westufer der Save und blockiert die Autobahn, die Belgrad mit dem Rest Europas verbindet. Schwerbewaffnete, vermummte Männer schwärmen zu einem Brückenkopf aus. Sie fordern soziale Sicherheit und Schutz vor der Auslieferung an das Kriegsverbrechertribunal in Den Haag. Aber das ist nur ein Teil ihrer Agenda an diesem Tag.

Die Spezialeinheit handelt praktisch ausschließlich im persönlichen Interesse ihres zwangspensionierten Kommandanten Milorad Ulemek "Legija", eines bis heute weitgehend unbestraften Klüngels innerhalb des Geheimdiensts – und im Interesse der mächtigsten und brutalsten Gang Südosteuropas, des Clans von Zemun. Die Regierung wird gezwungen, die beiden Clanchefs Dušan Spasojević "Duća" und Milan Luković "Kum" (Pate) nach wochenlanger Untersuchungshaft freizulassen und wichtige Posten im Sicherheitsapparat, darunter auch den des Geheimdienstchefs, mit "Freunden" des Clans zu besetzen. Die Regierung Đinđić ist gedemütigt, geschwächt und diskreditiert, was Geheimdienst und Gangster gleichermaßen freut.

Doch wie kommt es, dass Gangster und Geheimdienst eine Regierung in Europa so erpressen können?

Die Männer im Schatten

Was den Geheimdienst und das Militär betrifft, ist die Antwort relativ einfach: Seilschaften in diesem Milieu sind zählebig und schwer auszuhebeln, wie wir zum Beispiel aus der Geschichte des deutschen Bundesnachrichtendiensts (BND) und der Bundeswehr nach 1945 wissen. Und im Fall des Zoran Đinđić ist es besonders schwer, die geheimdienstlichen Gespenster Miloševićs auszutreiben, weil der Wählerwille zwar hinter ihm steht, aber der Großteil des geheimdienstlichen und des militärischen Apparats und sein ehemaliger Mitstreiter aus dem DOS-Bündnis und nunmehriger Präsident Serbiens, Vojislav Koštunica, gegen ihn. Beide Apparate haben zu verlieren, wenn Đinđić seine Politik einer EU-Integration Serbiens durch Zusammenarbeit mit dem Kriegsverbrechertribunal ebnet. Es muss dazugesagt werden, dass es bisher keine Hinweise gibt, dass die serbische Armee oder Vojislav Koštinica auch in das Attentat verwickelt sind. Die Armee scheint nur der zunächst lachende Dritte gewesen zu sein. Und Koštunica der bis heute grinsende Vierte.

Der Klan von Zemun andererseits ist von Đinđićs angekündigtem Gesetz zur Kronzeugenregelung direkt betroffen, nur wenige Mitglieder sind gleichzeitig auch Kriegsverbrecher, wie zum Beispiel der "Exekutor" des Clans, Sretko Kalinić alias "Zver" (Raubtier) alias "Kasapin" (Metzger). Kurz vor dem Attentat scheint die Absegnung des Kronzeugengesetzes im Parlament so gut wie sicher. Damit will Đinđić ein Instrument schaffen, um die Mauer aus Angst und Schweigen zu durchbrechen, die die Gangster vor Bestrafung schützt. Wie real diese Angst ist, wird erst nach der Zerschlagung des Clans 2003 klar, als man gleich gegenüber dem internationalen Nikola-Tesla-Flughafen den "Privatfriedhof" des Clans ausgräbt.

Slobos Erbe

Beide Gruppen, die JSO-Einheit und der Clan von Zemun, sind die Hinterlassenschaft von Slobodan Milošević, dem Lord Voldemort vom Balkan. Und beide sind durch ein Beziehungsgeflecht des gegenseitigen Vorteils miteinander verbunden: Männer der JSO besorgen den Personenschutz der wichtigsten Clanmitglieder, ihrer Häuser und ihrer Familien, schützen Drogendeals und geben wichtige Informationen an die Gangster weiter. Dabei benützen sie ganz offen ihre Dienstausweise und ihre Dienstwaffen. Im Gegenzug bekommen sie und die Hintermänner im Apparat Geld und Anteile am Verdienst aus Drogenhandel, internationalem Handel mit gestohlenen Autos und der Beute aus zahlreichen Entführungen serbischer "Geschäftsleute". Diese Verquickung ist auch das Resultat der persönlichen Freundschaft zwischen dem Kommandanten der JSO, Milorad Ulemek "Legija", und Dušan Spasojević "Duća", dem Co-Boss des Clans von Zemun.

Die wichtigste Basis für die Macht, die die Gangster und die JSO (und der Geheimdienst) zu diesem Zeitpunkt haben, ist auch eine Hinterlassenschaft des Slobodan Milošević: ein Serbien mit verarmter Mittelschischt, in der Verbrechen zum akzeptierten Berufsgegenmodell und Lifestyle geraten und Kriegsverbrecher wie Željko Ražnatović "Arkan", gleichzeitig Warlord und Gangsterprinz von Serbien, als patriotische Helden mit Persilschein für einfach alles gelten.

Wenn es eine gewisse Mitverantwortung des serbischen Präsidenten Koštunica gibt, dann ist es die der zynischen, absichtlichen Untätigkeit während des Aufstands der JSO im November 2001. Als Präsident kann er die Armee aktivieren, um die Blockade der Autobahn binnen Stunden zu beenden. Doch Koštunica lehnt sich zurück, sieht bei der Demütigung der Regierung untätig zu und kommentiert im TV den Quasi-Putsch als Arbeitskampf für bessere soziale Absicherung, der halt in Berufskleidung (und mit durchgeladenen Berufswaffen) stattfindet.

Doch wer in Serbiens Staatsapparat steht hinter Zoran Đinđić?

Die letzten Mohikaner

Während der Milošević-Autokratie wird die Polizei systematisch korrumpiert und demontiert. Slobo braucht sie nicht, weil er seine Macht über andere Kanäle sichert. Die Kriminalpolizei befasst sich nur mit Kriminellen, die keinerlei Drähte in Richtung Geheimdienst oder eines von Slobos Günstlingen haben. So verkommt die Polizei zu einem Jagdverein auf Eierdiebe, Exhibitionisten und Verkehrssünder.

Aber einige mutige Profis, die teilweise noch im Apparat Titos zu Polizisten ausgebildet werden, nehmen diese Aushöhlung nicht hin. Genauso wenig wie einige mutige Richter und Staatsanwälte des unter Slobo zur Karikatur verkommenen Justizapparats. Die Rede ist von den Staatsanwälten Mioljub Vitorović und Jovan Prijić und von den Kriminalinspektoren rund um Oberst Mile Novaković, der später als "Jäger des Clans von Zemun" in die Kriminalgeschichte Serbiens eingehen wird.

Diese Männer handeln oft geheim und ohne Erlaubnis und Wissen ihrer Vorgesetzten. Sie sammeln geduldig Beweise wie Bewegungsprofile, Abhörprotokolle und, soweit möglich, forensische Beweise. Diese geheim gesammelten Informationen sollen später – man rechnet in Jahren – zur soliden Basis für Verurteilungen werden. Und so kommt es am Ende auch: Was diese "guten Verschwörer" nach dem Mord an Đinđić auf den Richtertisch legen, bringt fast den gesamten Clan, hohe Offiziere der JSO, ihren Ex-Kommandanten Milorad Ulemek "Legija" und einige Geheimdienstler hinter Gitter.

Nur eines gelingt nicht: den Tod von Đinđić zu verhindern. (Bogumil Balkansky, 12.12.2017)