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Der ehemalige Ölmanager Trinh Xuan Thanh wird in Vietnam der Korruption beschuldigt und verschwand im Juli aus Berlin.

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Mitarbeiter der Botschaft Vietnams sollen kurz vor der Entführung Geheimdienstler getroffen haben.

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Es erinnert an eine Geschichte aus dem Kalten Krieg: Am 23. Juli 2017 werden im Berliner Tiergarten ein Mann und eine Frau entführt. Augenzeugen zufolge werden sie von bewaffneten Männern in ein Auto mit tschechischem Kennzeichen gezerrt. Der Mann ist der vietnamesische Ex-Politiker Trinh Xuan Thanh, der in seinem Heimatland wegen eines Wirtschaftsvergehens per Haftbefehl gesucht wird. Seit elf Monaten lebt er in Deutschland und hat dort Asyl beantragt. Die Frau ist die Tochter eines Freundes von ihm und auf Geschäftsreise in Deutschland. Unabhängige Zeugen beobachten das Geschehen und rufen die Polizei. Die stellt am Tatort das Handy des entführten Mannes sicher. Das war bei der Entführung auf den Boden gefallen.

Nur wenige Tage später tauchen die beiden Entführten in Hanoi auf: Die Frau wird mit einem gebrochenen Arm in ein Krankenhaus eingeliefert und dort von der Polizei bewacht. Das berichten Krankenhausmitarbeiter der Ehefrau des Mannes in Berlin und diese der deutschen Polizei. Der Mann selbst wird acht Tage nach seinem Verschwinden im Staatsfernsehen als reuiger Rückkehrer vorgeführt, der sich den Ermittlern in Vietnam stellen will. Sein Gesicht ist eingefallen. Er ist abgemagert und macht den Eindruck, als stünde er unter Drogen.

Hinweise auf Entführung

Das deutsche Auswärtige Amt und die ermittelnde Bundesanwaltschaft sprechen von einer Entführung durch den vietnamesischen Geheimdienst Tong Cuc An Ninh. Details der Ermittlungsergebnisse, die das erhärten, dringen an deutsche Medien. Das durch die Polizei sichergestellte Entführungsfahrzeug war mit GPS ausgestattet, so kann nachgewiesen werden, dass es vom Tiergarten direkt in die vietnamesische Botschaft in Berlin fuhr. Als der Autoverleiher es nach Wochen bei der Polizei abholte, waren Blutspuren und Betäubungssprays im Auto. Das Rückflugticket für die Frau nach Hanoi wurde aus der vietnamesischen Botschaft bei einem Berliner Reisebüro geordert, dazu zwei Tickets für Diplomaten, die als Aufpasser mitfuhren. Thanh wurde mit einem Krankenwagen nach Moskau gekarrt und dort in einem eigens von vietnamesischen Diplomaten als Krankentransport getarnten Flugzeug nach Vietnam ausgeflogen.

Der Rechercheverbund von WDR, NDR und Süddeutscher Zeitung will erfahren haben, dass der Vizechef des vietnamesischen Geheimdienstes, Duong Minh Hung, persönlich gemeinsam mit weiteren Geheimdienstlern einige Tage vor der Entführung nach Berlin gereist war, um die Fäden zu ziehen. Aufnahmen von Überwachungskameras in einem Berliner Hotel sollen das belegen. Auch Mitarbeiter der vietnamesischen Botschaft in Berlin sollen auf den Aufnahmen zu sehen sein, als sie mit den aus Hanoi eingereisten Geheimdienstlern zusammentrafen. Genetisches Material wurde gesichert. Die Polizei hat ermittelt, in welchem Imbiss die Geheimdienstler eine Nudelsuppe aßen und wie sie miteinander kommunizierten.

Wer ist der Entführte Trinh Xuan Thanh? Der 51-jährige studierte Architekt war ab 2006 Vorstandsvorsitzender eines staatseigenen Unternehmens für Erdölfördertechnik. Nach seinem Ausscheiden aus diesem Unternehmen 2012 wurde er Vizegouverneur einer Provinz im südvietnamesischen Mekongdelta und bekleidete später einen Parlamentssitz. Vietnam wirft ihm vor, während seiner Tätigkeit im Erdölförderunternehmen für Verluste dieses Unternehmens in dreistelliger Millionenhöhe verantwortlich zu sein. Darauf steht in Vietnam die Todesstrafe. Der Prozess soll noch vor dem vietnamesischen Neujahrsfest Mitte Februar starten. Thanhs Berliner Anwältin Petra Schlagenhauf geht allerdings davon aus, dass ihr Mandant Opfer eines Machtkampfes innerhalb der Kommunistischen Partei, der einzigen legalen Partei im Land, ist und darum vor den Richter soll.

Reformer gegen Konservative

Dort kämpfen der Flügel der Wirtschaftsreformer und der der chinafreundlichen konservativen Ideologen erbittert gegeneinander. Die Wirtschaftsreformer sind in der Defensive, der damalige Premier und mehrere Minister mussten seit 2016 ihre Ämter aufgeben. Der entführte Thanh war ein namhafter Vertreter der Wirtschaftsreformer. Er selbst hat von Berlin aus die Verluste seines Unternehmens mit der Notwendigkeit erklärt, verlustreiche und hochriskante Unternehmen aufzukaufen. Diesen Weisungen habe er sich als Chef eines staatseigenen Unternehmens nicht entziehen können.

Die Entführung war eine Kooperation zwischen eigens aus Hanoi eingereisten Geheimdienstlern, vietnamesischen Diplomaten und vietnamesischen Migranten, die mit dem Geheimdienst kooperieren. Der Fahrer des Entführungsautos beispielsweise war ein vietnamesischer Migrant aus Tschechien. Er ist der einzige Tatbeteiligte, der in Haft sitzt.(Marina Mai aus Berlin, 13.12.2017)