Wien – Brasiliens aktuelle Regierung sei "illegal", das Parlament das "schlimmste seit 100 Jahren". Das sagte Antonio Lisboa, Auslandbeauftragter der brasilianischen Gewerkschaft "CUT", am Dienstag gegenüber der APA in Wien. Die noch nicht rechtskräftige Verurteilung des ehemaligen brasilianischen Präsidenten Luiz Inacio Lula da Silva sei ein Versuch, ihn von der Präsidentschaftswahl 2018 auszuschließen.

"In Südamerika waren lange Zeit Mitte-Links Regierungen an der Macht, die Projekte der sozialen Inklusion erarbeitet haben", erklärte der Gewerkschafter. Dies habe eine "Welle des gesellschaftlichen Fortschritts" mit positiven Auswirkungen auf die Wirtschaft eingeleitet. Die Amtsenthebung der brasilianischen Präsidentin Dilma Rousseff 2016, die Lisboa als "Putsch" bezeichnete, und die neue Regierung der Partei der Demokratischen Bewegung (PMDB) von Präsident Michel Tremer sei hingegen für den "sozialen Rückschritt" mit ökonomischen Folgen verantwortlich. Die aktuelle Regierung vertrete lediglich die Interessen "fauler und korrupter Eliten".

Konstruierte Skandale

Bei der kommenden Präsidentschaftswahl 2018 soll der beim Volk nach wie vor beliebte frühere Präsident Lula antreten, der für eine soziale und entwicklungsorientierte Wirtschaftspolitik stehe. Laut Lisboa kann die PMDB keinen Kandidaten aufstellen, der gegen Lula Erfolgschancen habe. Daher versuche die Regierung, die Wahlen zu verschieben und Lula mit konstruierten Skandalen zu attackieren: Der ehemalige Präsident wurde im Juli wegen Korruption zu einer neunjährigen Haftstrafe verurteilt, er hatte dagegen berufen.

Lisboa hält auch eine verdeckte Einmischung der USA bei der kommenden Präsidentschaftswahl für möglich. Bundesrichter Sergio Fernando Moro, der das Urteil gegen Lula gefällt hatte, habe eine Ausbildung beim amerikanischen Geheimdienst CIA genossen. Für den Gewerkschafter sind die USA und einige europäische Länder eine der drei großen Kräfte hinter dem "Putsch" 2016 gegen Rousseff, da sie den damals gewachsenen globalen Einfluss Brasiliens untergraben wollen. Dieser habe sich in der neuen "aktiven außenpolitischen Führungsrolle" des Landes in Südamerika und seiner Mitgliedschaft in der Vereinigung aufstrebender Volkswirtschaften "BRICS" mit Russland, Indien, China und Südafrika geäußert.

"Nationale Eliten"

Als zweite Kraft hinter dem Regierungswechsel nannte Lisoba "nationale Eliten". "Sie bekämpfen die Miteinbeziehung von ärmeren Bevölkerungsschichten", so Lisboa. Viele Großgrundbesitzer gehörten zu diesen "ewig gestrigen Gruppen", die "gesellschaftlich rückschrittlich" seien. Für den Gewerkschafter sind diese Eliten "undemokratisch und autoritär". Beispielsweise hätten sie eine Koppelung des Wahlrechts an das Einkommensniveau gefordert. Diese Gruppe manifestiere sich auch im Parlament, wo sie über 50 Prozent der Abgeordneten stelle und werde von christlichen Freikirchen unterstützt, die ein homophobes, rassistisches und fremdenfeindliches Weltbild propagierten.

Drittens sollen internationale Banken und Ölkonzerne den Regierungswechsel unterstützt haben. Grund dafür sei vor allem das in der Nähe von Rio de Janeiro liegende Ölfeld, dessen Förderung zunächst überwiegend durch die staatliche Erdölfirma "Petrobras" erfolgen sollte und dessen Umsatz einen Beitrag zum Gesundheits- und Bildungssystem leisten sollte. "Das erste Gesetz der neuen Rechts-Regierung kippte das und gab den internationalen Konzernen Zugriff auf dieses Erdölfeld", erklärte Lisboa. Vor allem Exxon und Shell nannte der Gewerkschafter als involvierte Firmen. "Der Putsch ist noch immer im Gang", sagte Lisboa. Die Regierung arbeite an Gegenreformen um den Ölfirmen mehr Möglichkeiten zu geben und starte neoliberale Projekte.

Über eine Pensionsreform, die die staatliche Rente privatisieren soll, solle kommende Woche abgestimmt werden. "Falls die Reform verabschiedet wird, werden wir einen großen Generalstreik organisieren", kündigte Lisboa an und verwies auf einen Ausstand im April, an dem sich im ganzen Land rund 40 Millionen Menschen beteiligt hätten, da die Gewerkschaften gut vernetzt seien. (APA, 12.12.2017)