Karikaturist Oliver Schopf illustrierte die Protagonisten im Vorfeld des Prozesses für ein großangelegtes STANDARD-Feature, das Sie hier nachlesen können.

Illustration: Oliver Schopf

Wien – Am Dienstag hat er nun also begonnen, der Prozess gegen Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser und 14 weitere Angeklagte rund um die Buwog-Privatisierung und die Einmietung der Finanz in den Linzer Terminal Tower. Erst am Nachmittag davor hatte der Oberste Gerichtshof (OGH) mit der Klärung einer Zuständigkeitsfrage grünes Licht für den Start der Verhandlung unter der vorsitzenden Richterin Marion Hohenecker gegeben – und einigen der involvierten Anwälte waren die Anstrengungen der vergangenen Wochen am Dienstagfrüh ins Gesicht geschrieben.

Auch der erste Verhandlungstag stand ganz im Zeichen des Versuchs einiger der Anwälte, die Richterin als befangen loszuwerden – um 14.30 Uhr war die Sache aber gelaufen. Der Senat aus Hohenecker, ihrem Beisitzer und zwei Schöffen lehnte alle Befangenheitsanträge ab. Die gebürtige Kärntnerin Marion Hohenecker (36) wird jenen Prozess leiten, von dem alle annehmen, dass er rund ein Jahr dauern wird. Dass der Ehemann der Richterin, der Korneuburger Strafrichter Manfred Hohenecker, unter anderem Grasser-kritische Twitter-Meldungen verbreitet hatte, ließ der Richtersenat nicht als Befangenheitsgrund durchgehen. "Es entspricht nicht dem Zeitgeist einer Richterin, sich die Meinung des Ehemannes umzuhängen", begründete Hohenecker die Entscheidung.

Strenge Regeln im Gericht

Fünf Stunden davor hatte der erste Verhandlungstag in jener Causa begonnen, in der Grasser vorgeworfen wird, Schmiergeld genommen zu haben – im Zusammenspiel mit den beiden damaligen Lobbyisten Peter Hochegger und Walter Meischberger sowie mit Immobilienmakler Ernst Plech. Ex-Immofinanz-Chef Karl Petrikovics soll beim Buwog-Verkauf die Zahlung von 9,6 Millionen Euro veranlasst haben, Grasser soll gemäß Anklage rund 2,6 Millionen Euro mitgeschnitten haben.

Generalstabsmäßig hatte die Justiz den ersten Verhandlungstag vorbereitet, der um 9.30 Uhr beginnen sollte. Ab acht Uhr bereits trudelten die ersten Journalisten, Fotografen und Kamerateams vor dem Hintereingang zum Straflandesgericht Wien ein, die für die ORF-Übertragungswagen reservierten Parkplätze füllten sich. Im gesamten Grauen Haus (so und "Landl" wird das Wiener Straflandesgericht genannt) galt Fotografier- und Filmverbot; akkreditiert sind nur drei ORF-Kamerateams sowie Fotografen der Nachrichtenagentur APA.

Torschluss zu Beginn

Die akkreditierten Journalisten sammelten sich vor den drei Gittertoren vor dem Großen Schwurgerichtssaal, deren Aufschließen sich dann etwas schwierig gestalten sollte. Ein Tor klemmte, die Gerichtssprecherin hatte Mühe, das Schloss aufzusperren. Alles habe man geprobt, nur das Aufschließen nicht, murmelte die Sprecherin verärgert, bevor der Medientross in den Saal strömen konnte.

Der dann übrigens zu rund einem Drittel leer bleiben sollte. Die übrigen Prozessbeobachter – 40 pro Tag, sofern sie eine für einen Prozesstag gültige Platzkarte ergattert haben – sind auf die Galerie verbannt.

Rund eine Viertelstunde vor Verhandlungsbeginn waren sie dann alle da, die Angeklagten. Grasser, im dunkelblauen Anzug und Ziel-eins-Person für Fotografen und Kameraleute, gab sich wortkarg; verspannt schauten alle Angeklagten drein. Am wenigsten noch Hochegger, der eine Haftstrafe verbüßt hat und sich viel in Brasilien aufhält.

Wie sich die Zeiten ändern, das wurde dann bei der Aufnahme der Generalien der Angeklagten klar, also bei den einleitenden Fragen der Richterin über Beruf, Einkommen und Vermögenssituation der 14 Angeklagten – der Ex-Chef der Raiffeisenlandesbank Oberösterreich, Ludwig Scharinger, ist ja wegen Verhandlungsunfähigkeit nicht beim Prozess dabei.

Exminister Grasser, der nach seiner Zeit in der Politik eine Lawine mit seinen Aktivitäten für Meinl International Power (MIP) verdient hat, war der Erste der Befragten. Er habe "keinen Arbeitgeber, kein Haus, kein Auto", gab er unter leichtem Raunen im Publikum zu Protokoll, zu seinem Nettoeinkommen sagte er gar nichts.

Kein Vermögen mehr

Noch weniger (nämlich: nichts) haben andere der zentralen Angeklagten angegeben. Meischberger, einst zumindest Eigentümer einer Villa in Wien-Döbling, einer Wohnung im Süden und einer halben Yacht, verriet weder etwas über sein Vermögen noch über sein Nettoeinkommen – sehr wohl aber, dass sein Anwalt im Rahmen der Verfahrenshilfe für ihn arbeitet. Seinem Verteidiger, Jörg Zarbl, muss Meischberger mangels eigener Mittel also nichts bezahlen.

Noch weniger sagte Meischbergers alter Freund Plech. Er gab, wegen einer Erkrankung bloß flüsternd, nur an, dass er in Pension sei. Auch Hochegger ist mittlerweile Pensionist, er wohnt, so nicht gerade in Brasilien, im 15. Wiener Gemeindebezirk.

Und der Ex-Chef von Immofinanz und Constantia Privatbank, der einstige Höchstverdiener Petrikovics? Er wurde aus der Haft "vorgeführt", wie man das in der Justiz nennt. "Ich habe eine Verurteilung, die ich gerade absitze", erklärte Petrikovics; die hängt mit der Causa Immofinanz zusammen. Sein Einkommen gab der Ex-Manager freimütig bekannt: "120 Euro netto im Monat."

Nach den Formalitäten nahmen die Anwälte von Grasser, Meischberger und Plech noch einen letzten Anlauf und brachten ihre Ablehnungsanträge gegen Richterin Hohenecker ein – so wie sie das schon in den Vortagen angekündigt hatten. Diesem Umstand war es zu verdanken, dass im Schwurgerichtssaal Auszüge aus einem alten Schweizer "Tatort" zu sehen waren und die beiden Sänger Christoph & Lollo mit ihrem Musikvideo und eher kritischen Song "Karl-Heinz".

"Tatort" ohne Ton

Denn: Ainedter nützte die neuen technischen Möglichkeiten im renovierten Saal und zeigte Krimi und Gesangsstück, um seine Ablehnungsgründe zu illustrieren. Der Wermutstropfen, mit dem die Zuschauer leben mussten: Ton gab es keinen, weder für den "Tatort" noch für das Anti-Grasser-Lied. "Ton gibt es hier nicht", klärte die leicht genervt wirkende Richterin auf, was den Verteidiger zwar nicht bewog, das Lied selbst vorzusingen, aber immerhin dessen Text vorzulesen. Warum Ainedter das tat: Hoheneckers Ehemann hatte in Bezug auf den "Tatort", in dem es um Selbstjustiz ging, Grasser-Kritisches getwittert und dem Lied twittermäßig Beifall gezollt.

Ein paar weitere abgeschmetterte Anträge später – die Anwälte kritisieren etwa die Sitzordnung, deretwegen sie nur die Rücken der Einvernommenen sehen werden, ihre Gesichter werden sie nur auf Bildschirmen sehen – ging der erste Verhandlungstag zu Ende.

Von der Anklage war noch gar nicht die Rede. Möglicherweise dringt man zu ihr am Mittwoch vor. (Renate Graber, 12.12.2017)