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Doug Jones ist neuer Senator aus Alabama.

Foto: REUTERS/Marvin Gentry

Mit Metaphern soll man bekanntlich vorsichtig sein, denn sie hinken schnell und gern. Doch was am Dienstag in den Wahllokalen des südlichen US-Bundesstaates Alabama geschah, war nichts weniger als ein Erdbeben – ein politisches, freilich.

Der Menschenrechtsanwalt Doug Jones, der Kandidat der seit Jahrzehnten chancenlosen Demokraten in dieser Hochburg des Konservatismus, schaffte das noch vor wenigen Wochen Undenkbare und überholte den ehemaligen zweimaligen Staatsanwalt Roy Moore, der für die Republikaner ins Rennen geschickt worden war. Moore ist seit Monaten massiven Missbrauchsvorwürfen gegen Minderjährige ausgesetzt, zuletzt hatten sich acht Frauen öffentlich gemeldet, die angaben, von ihm sexuell belästigt und genötigt worden zu sein, als sie noch minderjährig – die jüngste 14 Jahre – waren.

Noch vor einem Jahr hatte der Republikaner Donald Trump hier fast eine Zweidrittelmehrheit geschafft und mit 62,1 Prozent die Demokratin Hillary Clinton gedemütigt. Nur zwölf Monate später zeigten die Wählerinnen und Wähler, was sie von Moore und Trump halten. Mit Stand Mittwochmorgen (MEZ) lag Jones uneinholbar um einige tausend Stimmen vorne. Sie sorgten dafür, dass der Himmel über ihrem "Sweet Home Alabama" statt im Rot der Republikaner nach Jahrzehnten wieder im Blau der Demokraten erstrahlt, wie die US-Band Lynyrd Skynyrd in ihrem berühmten Song von 1974 sang.

Hauchdünne Mehrheit im US-Senat

Die Folgen dieses Wahlergebnisses, das auch Justizminister Jeff Sessions – er kommt aus Alabama – noch lange beschäftigen wird, hat massive Auswirkungen bis ins ferne Washington. Denn dort ist jetzt der Vorsprung der Republikaner auf 51 zu 49 Senatoren geschrumpft. Das bedeutet für Trump eine weitere Hürde und Unwägbarkeit bei der Durchsetzung umstrittener Gesetzesprojekte. Wann immer der US-Präsident etwas durch den Kongress bringen muss: Der Senat wird stets eine Stolperfalle sein. Schon bisher – Stichwort Gesundheitsreform Obamacare – scheiterte der Mann aus dem Weißen Haus am Kapitolshügel oft mit seinen Plänen.

Doch mit widrigen Mehrheitsverhältnissen mussten sich schon fast alle Präsidenten vor Trump auch herumschlagen. Was für den Republikaner tatsächlich die größere Gefahr darstellt, ist der mögliche Beispielscharakter dieser Senatswahl für kommende Urnengänge. Für Trump ist das Signal, das aus Alabama kommt, ein absolut bedrohliches: Erstmals gibt es eine konkrete Wahl, in der Trumps Politik und Weltbild auf die Probe gestellt wurde. Und es hat sich gezeigt, dass er eine wunderbare Reibefläche für die Demokraten abgibt, wenn es darum geht, ihre Wählerinnen und Wähler zu mobilisieren.

Denn nach ersten Analysen der Wählerströme wird klar: Es waren Frauen, Vertreter der Minderheiten und die Jugend, die in Alabama plötzlich den Unterschied ausmachten. Schaffen es die Demokraten, endlich ihrer Agonie zu entkommen, in die sie nach der Niederlage Clintons vor einem Jahr gerieten, sollten sie nun viele Möglichkeiten sehen, um sich effizient für die im November 2018 anstehenden Teilwahlen des US-Kongresses und für die nächsten Präsidentenwahlen 2020 vorzubereiten.

Es hat nicht gereicht

Aus naheliegenden Gründen werden Trump & Co demnächst die Bedeutung der Alabama-Wahl herunterspielen. Doch die Wirklichkeit ist eine andere: Sowohl der Präsident selbst als auch die ultrakonservative Elite der USA, von Steve Bannon abwärts, hatten im Wahlkampf viel Werbung für Moore gemacht. Trump hatte es wieder einmal genossen, Hallen und Stadien zu füllen und Wahlkampf machen zu dürfen.

Doch es hat nicht gereicht, das Blatt könnte sich sogar schon gewendet haben. Es wurde nicht nur Trumps Politik abgestraft (er verharrt ja selbst seit Monaten auf niedrigem Umfragenniveau), sondern die Wählerinnen und Wähler gaben auch zu verstehen, dass man jemandem, der des sexuellen Missbrauchs von Mädchen und Frauen beschuldigt wird, nicht weiter verzeiht. Grab them by the pussy? Nein. Donald Trump, dem selbst nachgesagt wird, sich in solchen Angelegenheiten nicht immer korrekt verhalten zu haben, könnte auch von dieser Seite Grund zur Sorge haben. (Gianluca Wallisch, 13.12.2017)