Vor der Abstimmung gab es Proteste für den Erhalt der Netzneutralität und gegen FCC-Chef Ajit Pai.

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Die hartnäckige Lobbyarbeit der großen US-Telekomkonzerne in Washington hat sich ausgezahlt. Die unter Präsident Barack Obama eingeführten strengen Regeln zur Netzneutralität in den USA wurden am Donnerstag wieder abgeschafft. Damit können Provider etwa für die Nutzung bestimmter Apps Extragebühren verlangen oder andere Dienste drosseln. Durch die Zurücknahme der Regeln erhofft sich die Regierung von Donald Trump höhere Investitionen in die Telekominfrastruktur.

Der Vorstand der Regulierungsbehörde FCC stimmte mit drei zu zwei Stimmen für eine Aufweichung der Netzneutralität. Die Sitzung war zuvor abrupt wegen Sicherheitsbedenken unterbrochen worden, auf CNN waren Polizisten mit Spürhunden zu sehen. Offenbar war eine Bombendrohung bei der FCC eingegangen, die Pause dauerte rund 20 Minuten.

FCC-Live-Stream.
Washington Post

Überholspur im Netz

Der Grundsatz der Netzneutralität besagt, dass alle Daten gleich behandelt werden müssen. So ist es Netzbetreibern wie AT&T, Verizon und Comcast untersagt, bestimmten Datenverkehr zu blockieren oder zu verlangsamen, um anderen Inhalten Vorrang zu geben. Das Ende der Netzneutralität gibt den Telekomriesen die Möglichkeit, im Internet eine Überholspur einzurichten und dort saftige Nutzungsgebühren einzuheben – etwa von Youtube oder Netflix.

Kritiker warnen, dass es gerade für große Internetfirmen leichter sein wird, sich eine Überholspur im Netz zu kaufen – während Start-ups dafür kein Geld haben und benachteiligt wären. Außerdem würde es niemanden verwundern, wenn die Kosten an die Kunden weitergereicht werden und die Preise für Netflix und andere Streaminganbieter steigen.

Die Abstimmung der FCC sollte noch in letzter Minute verhindert werden. 18 US-Staatsanwälte forderten eine Verschiebung des Tagesordnungspunkts, auch Abgeordnete der Demokraten wollten das Aus für die Netzneutralität verhindern.

"Schädigend für Konsumenten"

FCC-Kommissarin Mignon Clyburn wehrte sich in einer langen Rede gegen das Aus für die Netzneutralität, das "schädigend für Konsumenten" sei. "Ich bin eine von Millionen, die wütend sind", so Clyburn. "Die FCC gibt Schlüssel zum Internet an eine Handvoll Multikonzerne ab, denen Profit wichtiger als Konsumentenschutz ist." Das Ende der Netzneutralität sei auch ein demokratiepolitisches Problem, erklärte die von den Demokraten entsandte Kommissarin. Sie erinnerte daran, dass Proteste gegen Polizeigewalt in Ferguson vor allem durch soziale Medien verbreitet worden waren.

Der Republikaner Michael O'Rielly sprach hingegen von einem "ausgewogenen Vorschlag". Strenge Regeln seien nicht nötig, um hypothetische Gefahren zu bekämpfen. Es sei nicht wahr, dass Meinungsfreiheit oder der freie Wettbewerb in Gefahr sei – "das Internet hat bis 2015 ohne diese Regeln funktioniert", so O'Rielly. In diese Kerbe schlug auch der FCC-Vorsitzende Ajit Pai, laut dem "nicht der Himmel einstürzen wird". Tatsächlich gebe es schon jetzt reale Gefahren eines freien Internets, die nicht beachtet würden – etwa die Frage, nach welchen Regeln Unternehmen etwa Beiträge entfernen oder Apps aus ihren Stores werfen.

Strenge Regeln in Österreich

In Österreich werden die Vorgaben der EU in Sachen Netzneutralität sehr streng ausgelegt. So mussten Mobilfunker bereits einige Dienste wieder einstellen. Im November hat allerdings A1 den vermutlich größten Angriff auf die Netzneutralität gestartet, den es hierzulande bisher gegeben hat. Mit "Free Stream" bietet der Mobilfunker seinen Kunden unlimitiertes Streaming bestimmter Audio- und Videodienste an, das nicht auf das jeweilige Datenvolumen angerechnet wird.

Video: Was bedeutet Netzneutralität?
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A1-Kunden können etwa Netflix, Spotify, Amazon Prime Video und Apple Music nutzen, ohne auf ihren Datenverbrauch achten zu müssen. Solche Angebote werden in der Mobilfunkbranche als "Zero Rating Service" bezeichnet. Da das allerdings eine Bevorzugung bestimmter Anbieter ist, hat sich A1 mit dem Angebot ein Verfahren eingehandelt. Die Telekombehörde RTR prüft, ob Verstöße gegen die Netzneutralitätsverordnung der EU vorliegen.

Kritik an "Zweiklassennetz"

Kritik an A1 kommt auch von Netzaktivisten, die vor einem "Zweiklassennetz" warnen und die RTR auffordern, den Tarif zu verbieten. Sie gehen davon aus, dass A1 für das Angebot den Internetverkehr auch drosselt. Zudem wird befürchtet, dass das, was A1 tue, nur der erste Schritt sei. Als mahnendes Beispiel wird Portugal genannt. Dort bietet der Internetprovider MEO in Mobilfunktarifen um je fünf Euro monatlich Pakete wie "Messaging", "Social", "Video", "Music" sowie "Email & Cloud" an. (sum, fsc, 14.12.2017)