STANDARD-Karikaturist Oliver Schopf zeichnete auch am zweiten Prozesstag live im Gerichtssaal mit. "Verlesung der Anklage durch Staatsanwälte Machart und Denk (rechts). Ihnen zufolge ziehen sich Geld, Gier und Gehieimnisse wie ein roter Faden durch die Anklage und wie Karl-Heinz Grasser im Hintergrund am Rädchen dreht. Hochegger und Petrikovics vor Verhandlungsbeginn (links oben). Die Angeklagten mit Zeichner (links unten)."

Foto: Oliver Schopf

Tag zwei im Buwog-Prozess stand ganz im Zeichen der Staatsanwaltschaft. Die Vertreter der Behörde, Gerald Denk und Alexander Marchart, trugen den Sukkus der Anklage vor – zuvor waren aber erneut die Anwälte am Wort. Etliche von ihnen brachten Anträge ein, mit denen sie sich quasi gegen die Republik Österreich und ihre Schadenersatzansprüche wehren wollten. Wollten – denn der Richtersenat schmetterte alles ab.

Begonnen hatte der zweite Verhandlungstag mit den Themen Privatisierung der Buwog und Einmietung der Finanz in den Linzer Terminal Tower schon etwas lockerer als der erste Tag. Die Angeklagten standen im Angeklagten-Richter-Anwalt-Sperrbereich des Saales plaudernd beisammen, bevor Richterin Marion Hohenecker die Verhandlung fortsetzte.

Sesselrücken

Was folgte, war zunächst einmal ein Platzwechsel. Die Ermittler säßen zu knapp hinter den Mitarbeitern der Anwälte und Privatbeteiligten, könnten daher in deren Unterlagen mitlesen, beklagten sich die Anwälte. Und brachten die Richterin dazu, die Ermittler umzusetzen – sie beobachten den Prozess jetzt aus der letzten Reihe.

Beitrag aus der ZiB1 zum Buwog-Prozess.
ORF

Nach dieser Versetzungsaktion versuchten einige Anwälte, der Republik Österreich ihren Status als Privatbeteiligte beim Buwog-Prozess abspenstig zu machen. Die Finanzprokuratur fordert jene rund 9,8 Millionen Euro von Exfinanzminister Karl-Heinz Grasser, den Exlobbyisten Walter Meischberger, Peter Hochegger, Ex-Immobilienmakler Ernst Plech und anderen Angeklagten zurück, die bei den inkriminierten Deals als Provision geflossen sind. Zu dem Zweck hat sich die Republik über ihre Anwältin Finanzprokuratur dem Verfahren als Privatbeteiligte angeschlossen. Bei einer Verurteilung kann das Gericht den Privatbeteiligten ihre Forderung gleich zusprechen, sie ersparen sich also eine Klage vor den Zivilgerichten.

Staat als Geldwäscher

Die Einschaltung der Finanzprokuratur verletze das Gebot der Objektivität, argumentierte Petrikovics' Anwalt, Otto Dietrich, sei doch die Republik ohnehin schon durch Staatsanwälte und Richter vertreten. Grassers Anwalt, Norbert Wess, schloss sich an und legte noch eins drauf: Würde sich der Staat Geld aus kriminellen Handlungen von Verurteilten zurückholen, wäre er doch selbst Geldwäscher.

Ausdiskutiert wurde der juristisch doch ziemlich originelle Ansatz aber sowieso nicht, der Richtersenat wies die Anträge ab. Die Stunden danach gehörten der Staatsanwaltschaft. Die neue elektronische Ausstattung des Großen Schwurgerichtssaal erlaubte es den beiden Staatsanwälten, Auszüge aus ihrem "Anklagevortrag" auf eine große Leinwand zu beamen.

Kurzfassung der Anklage

Wer gefürchtet oder gehofft hatte, dass nun die mehr als 800 Seiten lange Anklageschrift verlesen würde, war beruhigt oder enttäuscht: Die Staatsanwälte trugen eine für die Schöffen eingekochte Version vor. Kurzfassung der Kurzfassung: Der damalige Finanzminister fasste bei seinem Amtsantritt und beim Beschluss der Regierung, Staatsvermögen zu privatisieren, den Beschluss, sich zu bereichern.

Seine Freunde, Meischberger, Plech, Hochegger, sollten dabei helfen. Letztlich habe "die Viererbande" rund zehn Millionen Euro eingestreift. Geschickt arbeiteten die Staatsanwälte mit plastischen Bildern und einprägsamen Begriffen und Worten. Für die zehn Millionen müsste ein "Durchschnittsösterreicher 37 Jahre lang arbeiten", verglichen sie etwa, immer wieder flochten sie die Wortfolge "Geld, Gier, Geheimnis" in ihr Anfangsplädoyer ein.

Grasser "Teil des Problems"

Grasser, der sich als Finanzminister in Broschüren über Korruptionsbekämpfung ausgelassen habe, sei nicht Teil der Lösung von Korruptionsproblemen gewesen, sondern "Teil des Problems".

Ob Untreue, die Grasser vorgeworfen wird, oder Geschenkannahme durch Beamte oder Bestechung oder Bestechlichkeit: Die Staatsanwälte erklärten den Schöffen die Rechtsbegriffe prägnant und plastisch. Der Mann, der "Entscheidungen über Millionen treffen musste", habe schlicht beschlossen: "Ich will selbst daran verdienen." Grasser selbst hörte ruhig zu – und machte Notizen.

Die drei Konten

Die Schöffen horchten der Staatsanwaltschaft gut zu, auch als es um den komplizierteren Teil der Sache ging. Die 9,6 Millionen Euro Buwog-Provision flossen ja an Hocheggers zypriotischen Briefkasten Astropolis, fünf Millionen davon landeten in Liechtenstein. Auf den Konten Natalie, Karin und 400.815, die die Staatsanwaltschaft Plech (Karin), und Grasser (400.815) zuordnet. Meischberger sagt, alle drei Konten hätten ihm gehört.

Gemäß Staatsanwaltschaft "lügt" Grasser, er habe sich "21 Minister-Jahresgehälter" auszahlen lassen. Zuletzt seien mit Fälschungen alternative Fakten hergestellt worden. Die "Nebelgranaten und Störgeräusche", die die Angeklagten seither produzierten, mögen die Schöffen doch bitte ignorieren, meinten die Staatsanwälte.

Verteufelung Grassers

Ein kompakter Anklagevortrag, dessen Eindrücke Grasser-Anwalt Ainedter nach der Mittagspause aus den Köpfen der Schöffen plädieren wollte. Grasser werde als "der Satan schlechthin" dargestellt, dabei sei es dem Mann aus "eigentlich einfachen Verhältnissen nie ums Geld gegangen". Der hätte doch seine Zukunft nie für 2,5 Millionen Euro weggeschmissen, so Ainedter

Bewegung kam übrigens nur einmal in den Saal. Eine kurze Unterbrechung eines Vortrags durch Ainedter genügte – und schon rief Richterin Hohenecker ins Mikro: "Schluss jetzt, für alle!" Was 14 Leute im Saal sicher gern wörtlich genommen hätten. (Renate Graber, 13.12.2017)