Bild nicht mehr verfügbar.

Die Nachfrage nach Bitcoin lässt bisher kaum nach.

Foto: REUTERS/Ints Kalnins

Wien – Diese Woche ist Bitcoin von der US-Terminbörse CBOE, einer der weltweit größten, gewissermaßen zu einer neuen Assetklasse wie Rohstoffe oder klassische Währungen geadelt worden. Geschehen ist dies zu Wochenbeginn durch die Handelsaufnahme mit Terminkontrakten auf die Kryptowährung. Und das Debüt dieser Futures darf als ein gelungenes bezeichnet werden, der Bitcoin-Kurs legte im Wochenverlauf in der Spitze auf 17.749 Dollar zu. Seit Jahresbeginn ist der Wert somit auf rund das 17-Fache angestiegen. Mit Futures können auch institutionelle Investoren im größeren Stil auf den Kursverlauf wetten, ohne Bitcoin tatsächlich zu besitzen – denn bei den CBOE-Futures ist keine Bitcoin-Lieferung vorgesehen, die Abrechnung erfolgt stattdessen in Dollar.

"Wir werden in den kommenden Monaten Vertrauen schaffen – und bleiben Sie dran, es wird noch mehr kommen", sagte CBOE-Chef Ed Tilly nach dem ersten Handelstag und kündigte umgehend weitere Produkte an: Dabei könne es sich um Optionen oder Indexfonds (ETFs) handeln. Zudem könnten künftig neben Bitcoin auch Finanzinstrumente auf andere Kryptowährungen an der CBOE folgen. Auch die US-Mitbewerber CME und Nasdaq haben Bitcoin-Produkte angekündigt. Auch die Deutsch Börse erwägt die Einführung eines Future-Handels. "Besonders die Aussicht auf eine breite Akzeptanz durch die Wall Street treibt den Preis nach oben", erklärt Analyst Mati Greenspan vom Broker eToro. Gilbert Fridgen vom Fraunhofer-Institut für angewandte Informationstechnik ergänzt gegenüber dem Handelsblatt: "Jede Barriere für den Markteintritt, die verschwindet, lässt weitere Investoren einsteigen."

Geringer Gesamtwert

Im Windschatten von Bitcoin haben heuer auch etliche andere Altcoins, wie dessen Pendants genannt werden, fulminant zugelegt. Insgesamt gibt es laut Coinmarketcap.com bereits mehr als 1300 dieser Kryptowährungen im Gesamtwert von rund einer halben Billion Dollar, wovon allein rund 285 Milliarden auf den Branchenprimus Bitcoin entfallen. Was sich für eine Kryptowährung nach viel anhört, ist in Relation zu anderen Assetklassen wenig, wie Ökonom Andrew Kenningham von Capital Economics vorrechnet: "Wenn der Kurs heute auf null fiele, entsprächen die Verluste auf dem Papier einem Preisrückgang der US-Aktien von 0,6 Prozent."

Commerzbank-Analyst Eugen Weinberg sieht Bitcoin mit der Handelsaufnahme von Futures an einem kritischen Punkt, denn: "Mit dem Future haben künftig beispielsweise Hedgefonds die Möglichkeit, in großem Stil auf einen Wertverfall beim Bitcoin zu wetten." Mehr als Fluch denn als Segen empfindet Dave Kanzler vom Analysehaus Investment Research Dynamics den Handel mit Bitcoin-Futures. Das Haar in der Suppe: Theoretisch kann dadurch eine unbegrenzte Menge an Bitcoin-Produkten auf Dollar-Basis in Umlauf kommen.

Begrenzte Bitcoin-Anzahl

"So viel zur Vorstellung, dass die Bitcoin-Menge fest begrenzt ist", kritisiert Kanzler im "Crypto Research Report" des Vermögensverwalters Incrementum. Derzeit sind 16,7 Millionen Bitcoin in Umlauf, durch das Schürfen neuer Einheiten steigt die Anzahl kontinuierlich bis zur absoluten Obergrenze von 21 Millionen Bitcoin. Andere Experten wie Autor Valentin Schmid beurteilen die Auswirkungen der Futures weniger dramatisch: Da die Kontrakte in Dollar abgerechnet werden, dürften diese auf lange Sicht nur geringe bis keine Auswirkungen auf den Bitcoin-Kurs haben.

In den Notenbanken haben Bitcoin & Co offenbar nur wenige Anhänger, wie jüngste Äußerungen von hochrangigen Vertretern zeigen. Bitcoin sei eine "hoch spekulative Anlageform", sagte Janet Yellen, Chefin der US-notenbank Fed am Mittwoch. Ihrer Einschätzung nach ist die Kryptowährung keine stabile Wertanlage. Noch schärfere Worte fand der Chef der australischen Notenbank, Philip Lowe: "Die derzeitige Faszination für diese Währungen fühlt sich eher an wie ein spekulativer Wahn, als dass es mit ihrer Verwendung als effiziente und bequeme Form des elektronischen Zahlens zu tun hätte"

Entspannter SNB-Chef

Entspannter kommentierte Thomas Jordan, Chef der Schweizerischen Notenbank SNB, die Entwicklung. Bitcoin und Co würden keine Gefahr für die Geldpolitik oder die Finanzstabilität bergen, sagte er am Donnerstag. Aus seiner Sicht haben virtuelle Währungen vor allem den Charakter eines Anlageinstruments. "Und Anlageinstrumente bergen auch Risiken, wie etwa einen Wertverlust", erinnerte Jordan.

Hinsichtlich der Wertentwicklung der Kryptowährung stochern offenbar selbst Experten im Nebel – eToro-Analyst Greenspan verweist auf eine Umfrage der US-Investmentbank Goldman Sachs unter Analysten, der zufolge im November 24 Prozent der Experten Bitcoin zum Jahresende im Bereich von 8000 bis 12.000 US-Dollar gesehen haben, während ein Drittel auf ein Preisband von 12.000 bis 15.000 Dollar getippt hat. Somit wurde die derzeitige Aufwärtsdynamik von der Mehrheit der Analysten unterschätzt.

Einen anderen Zugang beschreitet Chefanalyst James Butterfill von ETF Securities, indem er Bitcoin mit dem Edelmetall Gold, das zugleich als Währung und als Rohstoff gilt, vergleicht – und die Erzeugungskosten der Kryptowährung wie bei Rohstoffen als langfristige Untergrenze der Wertentwicklung heranzieht: Den finanziellen Aufwand für das Bitcoin-Schürfen definiert er mit dem Stromverbrauch, welcher jenem von 600.000 Haushalten entspreche, zuzüglich der Kosten für Hardware-Anschaffungen.

Grenzkosten unter Preis

Demnach liegen die Grenzkosten, also der Aufwand zur Schaffung eines zusätzlichen Bitcoins, derzeit bloß bei rund 4300 Dollar – und damit meilenweit unter dem aktuellen Kurs. Da sich der Stromverbrauch für Bitcoin-Mining künftig deutlich erhöhen werde und und sich die Vergütung in Bitcoin für dessen Schürfen bis Anfang 2020 halbieren werde, sieht er die Grenzkosten dann bei etwa 16.000 Dollar, was schon eher dem heutigen Preisniveau nahekommt.

Zu den jüngsten Kurssteigerungen dürfte auch Nachfrage aus Südkorea beigetragen haben. Laut eToro-Analyst Greenspan wurde zuletzt ein gutes Fünftel der Bitcoin-Transaktionen in koreanischen Won abgewickelt. Warum das trotz Rekordkursen der Fall ist, erklärt er so: "Die Idee, das gegenwärtige Geldsystem zu ersetzen, ist in Südkorea verbreiteter als in anderen Nationen." Dies sei einerseits auf die angespannte Situation mit Nordkorea zurückzuführen, welche die Auswirkungen eines totalitären Regimes auf den Wohlstand der Bevölkerung offenbare. Zudem "verlangt der Handel mit Bitcoin einen gewissen Appetit auf Risiko, der in Südkorea besonders stark ausgeprägt ist".

Bitcoin als Start-up

ETF-Securities-Analyst Butterfill ortet bei Kryptowährungen gewissermaßen noch Kinderkrankheiten: "Bitcoin entspricht in etwa einem Start-up-Unternehmen, das potenziell eine gute Idee darstellt, dessen Markt allerdings noch nicht groß genug ist, um seine Tragfähigkeit zu belegen." Genau dafür sieht Butterfill aber schon erste Anzeichen, da Bitcoin über zahlreiche Anhänger verfüge, bekannt sei und von Händlern allmählich als Zahlungsmittel angenommen werde. "Unseres Erachtens stellen Kryptowährungen eine aufstrebende digitale Anlageklasse dar." Allerdings müsse diese ihr Potenzial noch unter Beweis stellen.

"Zudem bestehen nach wie vor berechtigte Sorgen im Hinblick auf die Volatilität und die aktuellen Bewertungen", betont Butterfill. Anleger sollten daher – wie bei Start-ups generell – entsprechende Vorsicht walten lassen. Dies gilt grundsätzlich für alle Kryptowährungen, insbesondere aber für die unzähligen, kleineren Altcoins, denen Experten kaum Aussicht auf Markterfolg einräumen. Andererseits ist das Verlustpotenzial bei diesen oft überschaubar: Der Gesamtwert der "Nachzügler" Future Digital, Falcoin oder Applecoin beläuft sich jeweils auf weniger als 100 Dollar. (Alexander Hahn, 14.12.2017)