Stefan Zotti ist Geschäftsführer des Österreichischen Austauschdiensts und Vorstand der Innovationsstiftung für Bildung.

Foto: Innovationsstiftung für Bildung / Philipp Monihart

STANDARD: Im Jänner nahm die Innovationsstiftung für Bildung ihre Arbeit auf. Sie soll mithelfen, Österreich im Bildungsbereich zum Innovation-Leader zu machen. Wo steht Österreich jetzt? Wie weit ist der Weg dorthin noch?

Zotti: Das österreichische Bildungssystem ist schwer in einem Satz zusammenzufassen. Wir wissen aus internationalen Tests von unseren dramatischen Schwächen – Stichwort sinnerfassendes Lesen. Wir haben aber auch internationale Vorzeigemodelle, beispielsweise die Berufsbildenden höheren Schulen oder auch die Fachhochschulen. Was Innovation betrifft, was den Einsatz neuer didaktischer Konzepte betrifft oder was den Einsatz neuer Technologien betrifft, haben wir im Schulbereich noch Luft nach oben. Die Innovationsstiftung ist in dieser Hinsicht ein Innovationslabor, um Prototypen zu entwickeln, um zu schauen, wie wir mit der Digitalisierung produktiv umgehen können. Was es im Schulalltag technisch dazu braucht und – fast noch wichtiger – was wir dafür didaktisch brauchen. Wir können uns die ganzen interaktiven White Boards ersparen, wenn wir in der Didaktik bei der Kreidetafel stehengeblieben sind.

STANDARD: Die neue Bundesregierung hat ihre Pläne für den Bildungsbereich bereits präsentiert. Helfen diese Vorschläge dabei? Was wäre dabei besonders wichtig?

Zotti: Ich hoffe, dass der Weg weitergegangen wird, der in den letzten Jahren eingeschlagen wurde – Stichwort autonome Schulen, Innovation im Bildungssystem. Die Innovationsstiftung war ja auch ein substanzieller Bestandteil der Bildungsreform von 2015, wo die Schulen etwa ein Mehr an Autonomie bekommen haben. Zusätzlich haben sie mit der Stiftung auch ein Instrument bekommen, um mit dieser Autonomie auch kreativ und produktiv umzugehen. Es ist notwendig, dass wir auf diesem Weg bleiben.

STANDARD: Die Digitalisierungstrategie für den Bildungsbereich wird bereits umgesetzt. Schon in der Volksschule sollen die Kinder mit den Grundprinzipien vertraut gemacht werden. An welchen Hebeln müsste noch angesetzt werden?

Zotti: Wir müssen noch stärker im Kindergarten ansetzen. Die Stiftung wird dazu 2018 auch einen speziellen Innovationsdialog zum Thema Elementarpädagogik und Digitalisierung veranstalten. Im Kindergarten wird diese Realität ja weitgehend ausgeklammert. Ganz wesentlich ist aber die Frage: Welche digitalen Kompetenzen unsere Pädagogen dafür brauchen. Und ich kann noch nicht mit freiem Auge erkennen, dass wir hier in der Lehrerausbildung schon so weit sind, dass alle Lehrer mit den entsprechenden Kompetenzen ausgestattet werden. In der Lehrerfortbildung fallen mir noch wenige innovative Konzepte ein. Wie eine vernünftige Lehreraus- und -weiterbildung in diesem Bereich ausschauen kann, ist etwas, das wir als Stiftung gemeinsam mit den Pädagogischen Hochschulen, Universitäten aber auch Unternehmen angehen wollen. Und da hoffe ich, dass die Regierung am Ball bleibt und nicht der Lehrergewerkschaft folgt, wo Gewerkschaftsvorsitzender Paul Kimberger beim Treffen der christlichen Lehrervertreter fordertet: "Schluss mit der Innovationshysterie in der Schule." Unser Zugang ist mehr Mut zur Innovationsfreude.

STANDARD: Sind Lehrer besonders vorsichtig, was Innovationen betrifft?

Zotti: Einer der Hemmschuhe ist hier sicherlich mangelnde Innovationskompetenz und -Freude bei Teilen des Lehrkörpers, weil das System diese auch nicht ausreichend unterstützt. Ein Unternehmer hat mir erzählt, sie haben ein Lernprogramm für Tablets entwickelt, wo die Schüler individuell an ihren Aufgaben arbeiten konnten. Der Durchbruch in der Akzeptanz wurde erst erreicht, als eine Remote-Controll eingebaut wurde. Da konnte der Lehrer genau kontrollieren, was auf den einzelnen Tablets passiert. Da hat der Lehrer wieder die Sicherheit gehabt, er bleibt weiterhin Chef im Klassenzimmer. Ich verstehe schon auch die psychologische Hürde, aber da müssen wir drüber. Ich tue mir schwer zu sagen: Uns sind digitale Kompetenzen wichtig, aber wenn es ein Lehrer nicht will, da kriegen es die Kinder halt nicht unterrichtet. Das ist ein falscher Zugang. Bei den Veranstaltungen der Stiftung konnten wir im letzten Jahr sehen, dass es eine hohe Motivation gibt, viele spannende Ideen, aber wenig Innovationskompetenz. Das darf auf den ersten Blick nicht verwundern, wenn man Jahrzehnte sagt: Das ist der Lehrplan, das sind die approbierten Lehrbücher, dem habt ihr zu folgen. Da tut man sich schwer, wenn es heißt, ab morgen machst du innovative Konzepte, technisch unterstützt, und machst Dinge, die noch niemand vor dir gedacht hat.

STANDARD: Das österreichische Bildungssystem zeichnet sich nicht gerade durch Innovationen aus. Könnten leistungsorientierte Elemente bei der Bezahlung hier etwas ändern?

Zotti: Es gibt im österreichischen Bildungssystem sehr viele tolle Dinge, engagierte Lehrer, ausgezeichnete Kindergärten und Schulen. In vielen Fällen liegt das aber an den einzelnen Lehrkräften. Junglehrer kommen mit neuen Ideen an die Schule und merken einigermaßen rasch, dass es ihnen nichts bringt, wenn sie viele Projekte initiieren. Wir haben ein System, das Innovationen nicht wirklich befördert. Der Wunsch nach etwas Neuem ist da. Aber das System, so wie es ist, ist zu wenig. Wie man in der Breite leistungsbezogene Bezahlung von Lehrern schafft, wird spannend. Aber Anreize zu schaffen, ein bisschen mehr zu machen, weitere Aktivitäten in irgendeiner Form abzugelten, dem kann ich etwas abgewinnen. (Gudrun Ostermann, 20.12.2017)