Sepp Brunner musste sich mit der Abfahrt erst anfreunden.

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Gröden – Josef "Sepp" Brunner (59) würde sich nie als Wunderwuzzi bezeichnen. Der von Skiverbandschef Peter Schröcksnadel im Frühjahr als "Ideallösung" präsentierte Cheftrainer der Speedherren gibt sich trotz bemerkenswerter Erfolge mit den Schweizern bescheiden: "Ich bin lange im Geschäft, würde mich aber nicht als der Trainer bezeichnen. Man lernt nie aus, muss die Athleten und das Umfeld – von den Trainern über die Finanzen bis hin zur Forschung – haben. Beides ist hier gegeben", sagt der Steirer. Sein Engagement beim ÖSV sei ihm "einfach passiert".

Eigentlich wollte Brunner nie Abfahrtstrainer werden. Vor Jahren sagte er: "Abfahrt ist nicht mein Ding." Heute sagt er: "Das habe ich unterschätzt, es ist brutal interessant." Die Sprünge, Kurventechnik und Geschwindigkeit im Zusammenspiel mit den Elementen faszinieren ihn. Er verfolgt eine klare Linie, er legt großen Wert darauf, dass alle, von den "brutal guten Trainerkollegen" bis zu den Servicetechnikern, gleichgestellt sind und dass der Teamgeist stimmt. "Das Wichtigste ist, dass in der Mannschaft das Klima passt, dass sich alle wohlfühlen. Wenn irgendwo etwas entsteht, dann muss man es sofort ansprechen."

"Teilweise muss man sie sogar zurückhalten"

Brunner muss seine Schützlinge, denen er großes Potenzial attestiert, nicht extra antreiben. "Sie sind sehr motiviert, teilweise muss man sie sogar ein bisschen zurückhalten, weil sie manchmal fast zu viel wollen." Als sehr positiv bewertet er, dass die Vorbereitung gut war und alle gesund sind. "Das ist viel wert. In den letzten Jahren war es ja nicht einfach mit den vielen Verletzungen."

Die Verpflichtung Brunners, der seit 31 Jahren als Trainer arbeitet, ist einem Zerwürfnis mit dem Schweizer Verband zu verdanken. Kritische Aussagen gegenüber Swiss-Ski und Meinungsverschiedenheiten mit Cheftrainer Thomas Stauffer haben schließlich zu einer abrupten Trennung unmittelbar nach dem Weltcupfinale in Aspen geführt. Als Grund wurde illoyales Verhalten angeführt. Eine Aussprache gab es nicht, Brunners Abgang "war unter jeder Würde, unmenschlich", sagt Brunner.

Er hat die Schweizerin Sonja Nef 2001 zum Weltmeistertitel im Riesentorlauf gecoacht und 2017 mit seinem Schützling Beat Feuz den Titel bei der Abfahrt in St. Moritz gefeiert. Nach 20 Jahren als Trainer in der Schweiz folgte er dem Ruf des ÖSV.

"Auch für uns ist das große Thema die Sicherheit"

In puncto Erwartungen solle man aber nicht abheben. "Man muss mit einem Podium und vor allem mit einem Sieg sehr, sehr zufrieden sein. Das ist nicht mehr so selbstverständlich." Im Vergleich zu den vergangenen Jahren mit dominierenden Norwegern seien nun alle viel näher beieinander. Brunner prophezeit wesentlich mehr Abwechslung auf den Podesten. Es gelte, besser als die Norweger zu werden, Erfolgsstrategien abzukupfern sei aber kein Thema. "Wenn wir glauben, uns etwas abschauen zu müssen, dann sind wir eh schon wieder hinten nach und sie voraus." Auch in Hinblick auf Olympia wurde der Fokus auch auf weite Kurven gelegt, weil in dem Bereich Nachholbedarf geortet wurde.

Für eine optimale Vorbereitung wünscht sich Brunner "permanente Trainingsstrecken mit entsprechender Absicherung. "In der Richtung ist für einen großen Sport wie die Abfahrt in den letzten Jahren einfach zu wenig gemacht worden." Er glaubt, dass gerade vom ÖSV sehr schnell reagiert wird, denn "auch für uns ist das große Thema die Sicherheit".

Für die heute mit dem Super-G beginnenden Rennen in Gröden hofft Brunner, dass der gute Spirit von Übersee nach Europa mitgenommen wurde. Nicht zu erwarten war, dass Vorjahressieger Max Franz und Teamkollege Vincent Kriechmayr vor den Kamelbuckeln wegen des hohen Tempos mehr Respekt als vor der Mausefalle in Kitzbühel haben. Für den Sieger beim diesjährigen Super-G in Beaver Creek ist diese legendäre Passage sogar "die schwierigste im Weltcup". Dem oberösterreichischen Weltcup-Debütsieger ist in Kanada förmlich der Knopf aufgegangen. "Ich war die letzten Jahre oft zu verbissen, zu verkrampft." Man müsse aber immer ein bisschen locker an die Sache herangehen. Für ihn geht es nach der Initialzündung nun darum, den Erfolg zu bestätigen und weitere folgen zu lassen. Vielleicht wird der 26-Jährige dann auch irgendwann einmal in Linz auf der Straße erkannt. "Weil sonst bin ich ein Riesen-Fetzenschädel".

Trainings-Marathon

Im wegen Nebels und Windes immer wieder unterbrochenen Abschlusstraining am Donnerstag, das zur Marathonveranstaltung mutierte und mit sehr unterschiedlichen Bedingungen aufwartete, war Matthias Mayer in 1:58:64 Minuten vor dem überraschenden Kanadier Benjamin Thomsen, der mit Startnummer 68 kam, Schnellster. Dahinter reihten sich Otmar Striedinger und Franz ein. Kurios verlief das Training für Kjetil Jansrud, der Norweger wurde unterwegs abgewunken, musste lange ausharren, ehe er weiterfahren durfte und hatte – weil die Uhr weiter lief – am Ende einen Rückstand von über 28 Minuten. (Thomas Hirner, 14.12.2017)