Wien – Das ambitionierteste politische Projekt der Republikaner und von Präsident Donald Trump befindet sich auf der Zielgeraden. Senat und Repräsentantenhaus haben sich auf einen gemeinsamen Text geeinigt, bereits kommende Woche soll über die umfassendste Steuerreform in den USA seit der Präsidentschaft von Ronald Reagan (im Amt von 1981 bis 1989) abgestimmt werden.

In der EU werden deshalb die Warnungen lauter, dass die Reform negative Auswirkungen auf die europäische Wirtschaft haben wird. "Die Steuerreform in den USA heizt nicht nur den Steuerwettbewerb zwischen Amerika und Europa an, zusätzlich wird der Wettbewerb um US-Investitionen zwischen den EU-Mitgliedern zunehmen, Deutschland ist dabei der Verlierer", heißt es in einer neuen Studie des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) Mannheim.

Die ZEW-Ökonomen haben konkret analysiert, wie sich die geplante Senkung der Unternehmenssteuern in den Vereinigten Staaten auswirken könnte. Aktuell gilt in den USA einer der höchsten Steuersätze für Unternehmen unter allen Industrieländern. Die Körperschaftssteuer beträgt 35 Prozent. Bereits ab 2018, so heißt es im neuen einheitlichen Gesetzesvorschlag beider Parlamentskammern, soll die Unternehmenssteuer auf 21 Prozent sinken. Die effektive Gesamtsteuerlast für Konzerne läge damit künftig bei insgesamt rund 24 Prozent, wenn man noch die zusätzlichen Abgaben berücksichtigt, die viele Bundesstaaten einheben.

Schlechtere Karten für die EU

Das entspricht etwa der Körperschaftssteuerhöhe in Österreich (25 Prozent). Auf Investitionsentscheidungen in Österreich dürfte die US-Reform also keinen Einfluss haben, sagen Ökonomen des ZEW. Für Deutschland und einige andere EU-Länder, in denen höhere Steuersätze gelten, sieht es dagegen anders aus.

In der Bundesrepublik liegt der effektive Gesamtsteuersatz für Unternehmen bei über 28 Prozent und damit künftig über dem Wert in den USA. Auch in Frankreich werden die Steuern über dem US-Wert liegen.

Die ZEW-Experten unter der Leitung des Ökonomen Christoph Spengel haben auf Basis von internationalen Erfahrungswerten mit früheren Steuersenkungen versucht zu schätzen, wie sich die neue Steuerpolitik Washingtons auf Investitionsentscheidungen auswirken wird.

Das Ergebnis fällt eindeutig aus: Netto werden Investitionen aus der EU in Richtung Vereinigte Staaten abfließen. Unternehmen könnten sich also vermehrt dafür entscheiden, neue Standorte, neue Maschinen und neue Beteiligungen eher auf der anderen Seite des Atlantiks zu erwerben.

250 Milliarden Schaden

In der ZEW-Studie ist von einem Investitionsentgang von insgesamt 250 Milliarden Euro in der EU die Rede. Dieser Rückgang soll über die kommenden Jahre stattfinden, einen genauen Zeithorizont geben die Wissenschafter nicht an. Ein großer Anteil der verlorenen Investitionen, nämlich über 30 Milliarden, soll demnach auf Deutschland entfallen.

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Der erste große Erfolg als US-Präsident: Die Steuerreform dürfte kommende Woche beschlossen werden.

Auch Irland wäre stark betroffen: Derzeit ist es ein Hub, den US-Konzerne für ihre Europa-Geschäfte nützen. Für Österreich finden sich in der ZEW-Analyse keine Zahlen.

Studienautor Spengel will diese Zahlen als Richtwert und nicht als exakte Angabe verstanden wissen, zumal die ZEW-Annahmen noch darauf beruhen, dass der Unternehmenssteuersatz auf 20 und nicht wie nun geplant auf 21 Prozent sinkt. Dennoch sieht er dringenden Handlungsbedarf für Europa. Die EU-Länder sollten wieder stärker auf ihre Wettbewerbsfähigkeit achten.

Die Regelverschärfungen im europäischen Steuersystem für Konzerne hätten über die vergangenen Jahre dazu geführt, dass die Steuerplanung für Unternehmen erschwert wird, sagte Spengel im STANDARD-Gespräch. Dadurch könnten Konzerne, die in Europa investieren wollen, ihre Steuern weniger optimieren. (András Szigetvari, 15.12.2017)