The Hellcats aus Memphis, Tennessee.
1990 veröffentlichten sie mit "Hoodoo Train" ein kleines Meisterwerk.

New Rose

"We are the Hellcats nobody likes.
Maneaters on motorbikes.
We own this road so you better get lost.
When you hear the roar of cut-out exhaust.
Bug off or you'll find that you've blown your mind.
Get off the road! Get off the road!"

So hat sich der Regisseur Herschell Gordon Lewis die ideale Biker-Gang vorgestellt. The Cramps haben diese Fantasie im Song "Get Off The Road" umgesetzt, doch die Hellcats, von denen hier die Rede ist, inszenierten sich nicht in Motoröl und Leder.

Am Cover ihres Albums "Hoodoo Train" sind sie in einem alten Wagon zu sehen. Southern Bells in adretten Kleidern, Hutblume inklusive. Lediglich zwei im Anschlag gehaltene Gitarren deuten an, dass es sich nicht um ein gemütliches Damenkränzchen handelt.

Das Cover von "Hoodoo Train".

"Hoodoo Train" ist das zweite Album der Hellcats. Oder das erste richtige. Es folgte auf "Cherry Mansions", ein 1988 erschienenes Minialbum. Darauf spielten die Hellcats eine Mischung aus dreckigem Blues wie Skip James' "Hard Time Killing Floor" und selbstgeschrieben Songs. Schon da inszenierten sie sich als Südstaatendamen von gehobener Abstammung. Doch die richtige Zusammensetzung fanden sie erst auf "Hoodoo Train", und dort hauptsächlich auf der B-Seite.

Eine Heimat in der Fremde

Die Hellcats kamen aus Memphis. Lorette Velvette entstammte dem Umfeld von Tav Falcos Panther Burns und Alex Chilton, die in der zweiten Hälfte der 1980er beide auf dem französischen Label New Rose einen Heimathafen in der Fremde fanden.

Es gibt ein Minialbum Tav Falcos, "Now!", auf dem Velvette den Sozius von Tavs Triumph verschönert, während er mit Charlie-Chaplin-Bärtchen und offenem Hemd den Wild One verkörpert. Während ihre Musik in den Staaten nicht viel galt, gab es in Europa ein für Südstaaten-Mythen und -Musiken empfängliches Publikum. Ein wiederkehrendes Phänomen.

In den Easley Studios aufgenommen

"Hoodoo Train" erschien 1990. Da war der kleine New-Rose-Boom bereits wieder am Abflauen. Doch Tav Falco, Chilton oder The Cramps hatten eine Fährte gelegt, die die Hellcats als Gestirn desselben Universums für sich in Anspruch nehmen konnten. Auf ihre Art.

Die Hellcats waren neben Velvette, Lisa McGaughran, Diane Green, Su Ondine und Misty White. Produziert hat das Album ein Großmeister des Memphis-Sounds, Doug Easley. In dessen Studio haben von Tav Falco über Pavement, Sonic Youth, Jon Spencer und hunderte andere den Southern Drive für ihre Alben abgeholt.

Kunstgrind

Doch genau das funktioniert bei den Hellcats am wenigsten. "Hoodoo Train" ist nie schlecht, doch beim Opener und dem folgenden Titelsong wirkt die Band noch unentschlossen. Das abgebremste und in Kunstgrind getauchte "Baby Please Don't Go" verdeutlicht das hörbar.

Der letzte Song auf der ersten Seite stellt dann so etwas wie den Durchbruch dar. Das erhaben-pessimistische "Antarctica". An der Stelle hat die Band ihren Sound gefunden, die Balance passt.

"Antarctica" – pessimistische Erhabenheit aus Memphis.
DustyRoadBoy

Dann wird's immer besser: Allen Toussaints "I Did My Part" wird von einer Orgel und Congas aufgefettet, ist der Hit des Albums: Eleganz, Wehmut und wieder ein Schuss Erhabenheit, der sich über den Gesang mitteilt.

"I Did My Part" – der Hit von "Hoodoo Train".
MemphisMemories

Das darauffolgende "Shine" ist eine hübsche trotzige Ballade. Wer genau jeweils singt, bleibt ein Rätsel. Velvette, Green und McGauchran werden als Lead Singer angeführt, im Resultat ist es egal, alle überzeugen.

Verunsicherung

Die Stimmung auf den Punkt bringt "When You Walk in the Room", eine Coverversion von Jackie DeShannons Hit aus 1963. Es ist ein Song über das Gefühl der Verlegenheit, wenn jemand den Raum betritt, dem man sich zugetan fühlt, unsicher, ob derjenige die Zuneigung teilt. Die Mischung aus Sehnsucht und Contenance ist nahe an DeShannons Original gebaut, minus der zart ordinären Country-Breitseite, die DeShannons Idiom geschuldet ist.

Jackie DeShannons "When You Walk in the Room" – auf elegant.
DustyRoadBoy

Wie um sich wieder zu fangen, gehen die Hellcats in den nächsten Song. Ein Confession-Song: "Silly Whim". Auch wenn mein Baby mich liebt, behandle ich es schlecht. Der Ursprung des Songs geht auf einen Vierer aus Minnesota aus den 1960ern zurück: Jeannie, Jim, Tom, Bill mit Namen, viel weiter reichende Informationen über die vier gibt es nicht.

Der Text lässt auf einen alten Blues schließen, auf das besoffene Geständnis eines Tunichtguts, der sein Geld versäuft, anstatt sich zu Hause um Frau und Kind zu kümmern. Die These hält aber nicht. Es singt eine Frau, die Rollen sind vertauscht. Die Hellcats eignen sich den forsch-treibenden Song wieder nah am Original an. Er erinnert an Agentenfilm-Signations, eloquent instrumentiert. Noch ein Hit.

"Silly Whim" – ginge auch als Agentenfilmmusik durch.
DustyRoadBoy

Im Blues "Back Door Slam" vollziehen sie den Spagat aus dirty und lässig, der auf der ersten Seite noch nicht hinhaut. Plötzlich fällt alles, wie es soll. Die schiefen Soli, der stolpernde Beat – als wüssten sie, dass es kaum besser geht, machen sie kehrt und beenden "Hoodoo Train" mit einer Trennungsballade.

Ein finales Geständnis

"Love Is Dying" ist das Geständnis, dass nichts mehr geht. Gleichzeitig war es eine Prognose. The Hellcats hörten auf. Lorette Velvette veröffentlichte einige Soloalben, Drummerin Misty White trommelte unter anderem für den Blueser R.L. Burnside und hat unter eigenem Namen erst vor zwei, drei Jahren Alben aufgenommen, der Rest der Cats blieb im Raum von Memphis aktiv.

DustyRoadBoy

Ein weiteres Hellcats-Album sollte es nicht geben. Die Band ist eine prächtige Fußnote in der daran reichen Geschichte von Memphis. Aus Blues, Soul, Rock 'n' Roll und all den daraus entstandenen Bastarden haben sie ein kleines Meisterwerk produziert – auch wenn die Welt nicht hingehört hat. (Karl Fluch, 19.12.2017)