Alexander Van der Bellen leistete sich bei der Angelobung der neuen Regierung zwei Patzer: Er schritt an FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache vorbei, ohne ihm die Hand zu schütteln, und er wollte die versammelten Minister und Staatssekretäre wieder nach Hause schicken, ehe die Ernennungsdekrete unterzeichnet waren. In beiden Fällen war das keine Absicht, sondern ein Versehen, das der Zerstreutheit des Professors geschuldet war.

Viele seiner Wähler, vor allem auch jene, die sich am Montag auf den Straßen und Plätzen rund um die Hofburg versammelten, um gegen die Angelobung dieser Regierung zu demonstrieren, hätten es gern gesehen und willkommen geheißen, wenn es kein Versehen, sondern Absicht gewesen wäre. Dass ihr Präsident, für den sie in dessen Wahlkampf gelaufen sind, für den sie Stimmung gemacht und Lieder gedichtet haben, den sie schließlich aus Überzeugung gewählt haben, vor allem auch, um einen blauen Kandidaten in der Hofburg zu verhindern, gerade diese türkis-blaue Regierung in dieser Zusammensetzung ohne ein Wort des Murrens angelobt, das sorgt bei diesen Bürgern für Wut und Enttäuschung: Rechtsextreme, so wurde es bei den Protestkundgebungen in der Wiener Innenstadt lautstark artikuliert, hätten in einer Regierung, an den entscheidenden Hebeln der Macht, nichts verloren.

Van der Bellen galt vielen als Garant, dass es nicht so weit kommen würde. Das war zumindest die Erwartungshaltung. Am Montag aber schüttelte er mit Verspätung umso herzlicher Strache die Hand, und selbstverständlich wurden die Ernennungsdekrete unterzeichnet.

Akzeptieren der realpolitischen Gegebenheiten

Auch Van der Bellen, der einst noch als Chef der Grünen den ersten Misstrauensantrag gegen die schwarz-blaue Regierung unter Kanzler Wolfgang Schüssel eingebracht hat, muss die realpolitischen Gegebenheiten akzeptieren und den Spielraum einhalten, den ihm die Verfassung vorgibt und die Vernunft gebietet.

Im Vorfeld dieser Regierungsbildung hat der Bundespräsident vieles, aber nicht alles verhindert. Er hat – in Absprache und im Einvernehmen mit Sebastian Kurz und Heinz-Christian Strache – dafür gesorgt, dass EU-Agenden vom blauen Außenministerium ins Kanzleramt wandern und dass nicht auch noch das Justizministerium zusätzlich zur Verteidigung und dem Innenressort an die Freiheitlichen fällt. Ob Van der Bellen auch darauf gedrängt hat, Inneres und Verteidigung – aus guten Gründen – nicht in die Hände der FPÖ zu geben, weiß man nicht. Sein Umfeld behauptet dies, Kurz hingegen sagte im Standard-Interview, das sei in den Gesprächen gar nicht thematisiert worden.

Dass Van der Bellen die Regierung bei der Angelobung zur Rücksicht auf die Schwächsten gemahnt hat, wird seine – ehemaligen – Fans nicht besänftigen. Mit der Enttäuschung, die der Bundespräsident bei seiner Wählerschaft angerichtet hat, wird er leben müssen. Es ist unwahrscheinlich, dass er das in seiner Amtszeit wird wiedergutmachen können – aber eine zweite strebt er ohnedies nicht an. (Michael Völker, 18.12.2017)