Sebastian Kurz (links) wird am Dienstag nach Brüssel fliegen.

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Nach der Angelobung durch den Bundespräsidenten gibt der Bundeskanzler seine erste Regierungserklärung im österreichischen Parlament ab: So war das bisher in der Zweiten Republik üblich, aber Bundeskanzler Sebastian Kurz macht davon beim Start eine Ausnahme.

Er wird am Dienstag nach Brüssel fliegen, um am späten Abend zuerst mit dem Ständigen Ratspräsidenten Donald Tusk und EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker zusammenzutreffen. Einziges Ziel der erst Freitagabend fixierten Stippvisite: Kurz will den beiden die Grundzüge des türkis-blauen Programms persönlich erörtern, allfällige Zweifel an der positiven EU-Orientierung seines Teams zerstreuen.

Der neue Kanzler hatte den beiden bei einem Besuch im Oktober gleich nach den Wahlen die Bildung einer "proeuropäischen Regierung" zugesichert. So sollen Irritationen wie im Jahr 2000, als es seitens der EU-Mitgliedstaaten wegen der Beteiligung der FPÖ "bilaterale diplomatische Maßnahmen" – symbolische Herabstufungen – gab, von vornherein vermieden werden. Dies wird in den wichtigsten EU-Institutionen wie auch in den Hauptstädten mit Argusaugen verfolgt, nicht zuletzt, weil die FPÖ heute Teil der Fraktion der extrem rechten Parteien (ENF) im EU-Parlament ist und Österreich im zweiten Halbjahr 2018 für sechs Monate den EU-Vorsitz übernimmt. Alle wichtigen Entscheidungen laufen dann unter österreichischer Mitbeteiligung an der Koordinierung ab – der Abschluss der Brexit-Verhandlungen, ein eigener Migrationsgipfel der 28 Staats- und Regierungschefs in Wien im September oder auch die Reformpläne zur Vertiefung der Währungsunion im Euro.

Besonders im EU-Parlament ist die Skepsis groß. Gianni Pittella, der Fraktionschef der Sozialdemokraten, will "jeden einzelnen Schritt" in Wien und den "Sprung ins Ungewisse" genau beobachten, schloss neue "Sanktionen" nicht aus. Auch SPD-Chef Martin Schulz zeigte sich in Deutschland besorgt über den "Rechtsruck", wobei CDU-Kanzlerin Angela Merkel abwartend reagierte: Sie werde verfolgen, wie "die europapolitische Positionierung" wird.

Ganz anders sieht es nach Informationen des Standard jedoch bei Juncker und Tusk aus. Der Kommissionspräsident geht von Kurzens positiver EU-Orientierung aus. Er erwartet sich keine gröberen Probleme mit Österreich – vielleicht auch, weil er ärgere Konflikte mit Rechtsparteien in anderen Staaten wie Ungarn und Polen hat. Währungskommissar Pierre Moscovici, der als französischer Europaminister die Maßnahmen gegen Schwarz-Blau unter Kanzler Wolfgang Schüssel forcierte, will wegen der FPÖ-Beteiligung "Wachsamkeit" üben. Freundlicher die Reaktion aus dem Außenministerium in Paris: "Frankreich beglückwünscht Sebastian Kurz", sagte ein Sprecher, ohne die FPÖ zu nennen.

Am Mittwoch wird sich die Kommission mit der Einleitung eines Verfahrens wegen Verletzung der Rechtsstaatlichkeit in Polen befassen. Im Vergleich dazu nehmen sich Forderungen des Kanzlers nach "mehr Subsidiarität" harmlos aus. Präsident Tusk vermerkte positiv, dass Kurz seine Kritik an verpflichtenden EU-Flüchtlingsquoten teilt. (Thomas Mayer, 18.12.2017)