Berlin/Wien – Korruption und organisierte Kriminalität – in vielen Ländern riskieren Journalisten, die darüber berichten, ihr Leben. Nach Angaben von "Reporter ohne Grenzen" (ROG) sind in diesem Jahr 65 Medienschaffende in Zusammenhang mit ihrer Arbeit getötet worden, fast die Hälfte davon außerhalb von Regionen mit bewaffneten Konflikten.

39 der im Jahr 2017 getöteten Journalisten wurden wegen ihrer journalistischen Tätigkeit gezielt ermordet. Die übrigen 26 wurden im Einsatz getötet, weil sie etwa unter Beschuss oder in einen Bombenangriff gerieten. Unter den Getöteten waren 50 professionelle Journalisten, sieben Bürgerjournalisten und acht sonstige Medienmitarbeiter. 35 Medienschaffende starben in Gebieten mit bewaffneten Konflikten, 30 außerhalb solcher Gebiete. Zehn der Getöteten und damit doppelt so viele wie im Vorjahr waren Frauen.

Korruption, Umweltskandale, Kriminalität

In Ländern wie Mexiko oder den Philippinen gerieten Journalisten oft ins Visier ihrer Mörder, weil sie über Themen wie Korruption oder organisierte Kriminalität berichteten, teilte die Organisation am Dienstag mit.

"Besonders InvestigativjournalistInnen, die Themen wie Korruption und Umweltskandale recherchieren, spielen eine sehr bedeutende Watchdog-Rolle. Sie werden so zur Zielscheibe jener, die sich durch unabhängigen Journalismus bedroht fühlen", sagt Rubina Möhring, Präsidentin von Reporter ohne Grenzen Österreich.

"Es ist sehr besorgniserregend, dass auch außerhalb von Kriegsgebieten so viele JournalistInnen getötet wurden", so Möhring. "Besonders erschreckend ist, dass in zu vielen Ländern die Täter und ihre Auftraggeber damit rechnen können, dass sie mit Gewalt gegen Medienschaffende ungeschoren davonkommen. Wir fordern von der Staatengemeinschaft endlich wirksame Mittel, um die skandalöse Straflosigkeit für solche Verbrechen zu beenden."

Medienunfreiheit 2017
Grafik: DER STANDARD

Syrien, Mexiko, Afghanistan, Irak, Philippinen am gefährlichsten

Am gefährlichsten ist es für Journalisten, Bürgerjournalisten und Medienmitarbeiter laut der ROG-Jahresbilanz der Pressefreiheit in Syrien (12 Medienschaffende getötet), Mexiko (11), Afghanistan (9), im Irak (8) und auf den Philippinen (4). Weltweit seien mindestens 326 Medienmitarbeiter in Haft, fast die Hälfte davon allein in fünf Ländern: in China, der Türkei, in Syrien, dem Iran und Vietnam.

So halte die Justiz in der Türkei Journalisten systematisch über längere Zeiträume in Untersuchungshaft und ohne ein Gerichtsurteil hinter Gittern. So sei gegen den deutschen Korrespondent Deniz Yücel ("Die Welt"), der seit Februar in Haft sitzt, bisher noch nicht einmal Anklage erhoben worden. Verschärft habe sich die Lage der Medien auch in Vietnam, wo mindestens 25 Blogger verhaftet oder des Landes verwiesen worden seien.

54 Medienschaffende entführt

Bis Ende 2017 seien weltweit 54 Medienschaffende entführt worden – die meisten in Syrien, im Jemen und im Irak. Allein in Syrien sind laut ROG-Bericht derzeit mindestens 22 einheimische und sieben ausländische Medienschaffende in den Händen bewaffneter Gruppen, einige davon seit mehr als fünf Jahren. In manchen Fällen würden Angehörige und Kollegen deren Schicksal erst nach Jahren bekanntgeben. Sie befürchten sonst, das Leben der Entführten zusätzlich zu gefährden.

ROG fordert die Vereinten Nationen auf, endlich zu handeln: Ein UN-Sonderbeauftragter für den Schutz von Journalisten könnte völkerrechtliche Vorschriften durchsetzen und damit die Zahl von Übergriffen und Gewaltakten wirksam verringern. Zwar habe die UNO bereits entsprechende Resolutionen verabschiedet. Sie hätten aber bisher kaum Auswirkungen auf die Lage der Medienleute. (APA, red, 19.12.2017)