Michael Finkel: Der Ruf der Stille.
Goldmann 2017, 253 Seiten, 18,50 Euro

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Ein Zeltlager im Wald: Dort lebte Christopher Knight beinahe drei Jahrzehnte lang – ohne entdeckt zu werden.

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Wer zu Weihnachten seinen Stresspegel senken will, sollte "Der Ruf der Stille" lesen. Der US-Journalist Michael Finkel erzählt darin die Lebensgeschichte von Christopher Knight, der im Sommer 1986 den Entschluss fasste, fortan in einem Zelt zu leben. Mitten im Wald, die Bäume ringsherum so dicht, dass er fast drei Jahrzehnte unentdeckt blieb. Ein Feuer hat er nie gemacht, aus Angst, der Rauch würde sein Lager verraten.

Nur ein einziges Wort kam Knight in 27 Jahren über die Lippen, als er zu einem Wanderer "Hi" sagte. Mit großem erzählerischen Gespür zeichnet Finkel das Bild eines Menschen, der in keine Schublade passt, spricht mit Medizinern und Psychologen. Sein Fazit: Knight ist weder misanthropisch noch geistig verwirrt. Er hat einfach kein Bedürfnis nach Gesellschaft.

Nicht einmal ein Arzt war nötig, er war nie krank. Im Winter konditionierte er sich darauf, um zwei Uhr morgens aufzuwachen, das schützte ihn vor dem Erfrieren. Das wichtigste Ziel während der kalten Monate war, fett zu werden. Seinen Hunger stillte er durch Einbrüche in Ferienhäuser. 2013 wurde Knight aber geschnappt. Finkel war der einzige Journalist, mit dem er nach seiner Verhaftung sprach. Als er ihn auf Henry Thoreau, den bekanntesten Einsiedler des 19. Jahrhunderts, anspricht, antwortet Knight nur lapidar: "Ein Dilettant!" (Günther Brandstetter, 25.12.2017)