Wenn Kanzlerin Angela Merkel eine GroKo will, muss sie auf ...

Foto: AFP / John MacDougall

... SPD-Chef Martin Schulz zugehen – und umgekehrt.

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Österreich hat schon eine neue Regierung, und auch in Deutschland geht es voran – zumindest zentimeterweise. Am Mittwoch treffen sich die Parteichefs Angela Merkel (CDU), Horst Seehofer (CSU) und Martin Schulz (SPD), um den Fahrplan für die Sondierung festzulegen. Terminfragen zu lösen dürfte dabei die leichteste Übung sein. Sehr viel schwieriger wird es, nicht nur eine inhaltliche, sondern auch eine tragfähige persönliche Ebene für die Gespräche ab Anfang Jänner zu finden.

Das Problem sind im Moment – zur Abwechslung – nicht Merkel und Seehofer. Die beiden haben ihre Streitigkeiten weitgehend ausgeräumt. Die Stimmung war gut, als Merkel am Freitag beim CSU-Parteitag in Nürnberg zu Gast war. Seehofer kanzelte sie nicht, wie 2015 auf offener Bühne, ab, sondern streute ihr Rosen.

"Schulz leckt noch seine Wunden"

Deutlich weniger friktionsfrei ist das Verhältnis zwischen Merkel und Schulz – wobei der SPD-Chef die größeren Probleme hat. "Schulz braucht noch Zeit, er leckt immer noch seine Wunden", sagt einer aus dem CSU-Team. Kein Wunder: Schließlich ist Schulz der große Verlierer.

Er wollte Kanzler werden und hat es nicht geschafft. Danach wollte er als Oppositionsführer agieren, und jetzt sieht es so aus, als könnte er auch diesen Plan nicht umsetzen, weil die SPD für die große Koalition gebraucht wird. Und Merkel ist – wenngleich geschwächt – immer noch Bundeskanzlerin von Deutschland.

Schon lange vor der Bundestagswahl, als das Desaster sich in Umfragen immer klarer abzeichnete, hatte Schulz nicht nur schlechte Laune, sondern konnte diese auch kaum noch verbergen. Daran hat sich wenig geändert. Doch nun muss Schulz den Graben zwischen ihm und Merkel irgendwie überbrücken.

"À la bonne heure!"

"Finde ich toll, à la bonne heure!"- so hatte Schulz im einzigen TV-Duell vor der Wahl noch auf Merkel reagiert, als die Kanzlerin erklärte, sie wolle auch keine Rente mit 70 Jahren einführen.

Doch noch am Wahlabend (24. September) griff Schulz Merkel in der TV-Elefantenrunde scharf an, nannte sie einen "Ideenstaubsauger" und ihren Wahlkampf "skandalös". Allerdings verschonte auch Merkel den SPD-Chef nicht. Seine Partei, konstatierte sie Anfang Oktober beim Deutschlandtag der Jungen Union (JU), sei "auf absehbare Zeit nicht regierungsfähig". Daher solle man an eine große Koalition "keine weiteren Gedanken verschwenden".

Auch andere müssen erst in den neuen Modus finden. So hatte Andrea Nahles (SPD), die unter Merkel Arbeitsministerin war und nun Fraktionschefin ist, kurz nach der Wahl noch angekündigt, die Union werde nun, da die SPD in Opposition sei, "in die Fresse kriegen". Am SPD-Parteitag vor zehn Tagen machte Nahles ebenfalls deutlich, dass sie noch lange nicht auf Koalitionskurs ist.

"Die SPD wird gebraucht. Bätschi, sage ich dazu nur. Und das wird ganz schön teuer. Bätschi, sage ich dazu nur", rief sie den Delegierten zu, um zu verdeutlichen, dass die SPD bei den Verhandlungen sich natürlich ganz und gar nicht billig verkaufen werde.

Nahles ist im Verhandlungsteam der SPD. Eigentlich genießt sie in der Union Ansehen. Aber "in die Fresse" und "Bätschi" kam dort nicht so gut an. Nicht an den Sondierungen teilnehmen wird übrigens Ex-SPD-Chef Sigmar Gabriel. Der fordert im Spiegel eine Kurskorrektur der SPD. Sie müsse mehr über "Leitkultur" oder "Heimat" diskutieren. Das aber missfällt vielen in der SPD. (Birgit Baumann aus Berlin, 19.12.2017)